Pucon

07 – 10 Dezember 2016

Mit dem Nachtbus gehts nach Pucon und am nächsten Morgen checke ich im Chili-Kiwi-Hostel ein, welches letztes Jahr die Auszeichnung zum besten Hostel Chiles bekommen hat. Direkt am See genießt man Bilderbuch-Aussicht, hinter dem Haupthaus trifft man auf einen Bereich mit Laub- und Kirschbäumen inmitten einer riesigen Holzhütte mit Küche und Essbereich, einer Art Bungalow, ganz neu, mit zwei Zimmern, Bad und weiterer Küche, außerdem zwei Hobbithäuser (der Besitzer ist aus Neuseeland), Sitzbänke und ein Essbereich im Freien mit Sonnenschirm – alles in allem eine verdammt idyllische Anlage, die Küchen sind vorbildlich ausgestattet und die Zimmer mit einigen Detais versehen, die den Wohlfühlfaktor für einen Backpacker enorm erhöhen: Steckdose und Licht am Bett, gute Matratze ohne Plastik, Steckdose im Locker, Holzbetten, genug Platz.

Nachdem ich mich eingerichtet und für die Besteigung des aktiven Vulkans Villarica angemeldet habe, erkunde ich den Ort. Der deutsche Einfluss der Kolonien von damals ist nicht zu verkennen. Ich kaufe eine Flasche Wein und Proviant und entspanne den Rest des Tages. Abends gibt es noch eine kurze Einweisung für morgen – um sechs Uhr gehts los.

Im Morgengrauen werden wir ausgestattet mit Rucksack, Helm, Jacke, Stiefeln, Schneeschutz, Eispickel, Handschuhen und Gasmaske. Dann wird alles auf einen Pickup geladen und unsere Gruppe, bestehend aus zwölf Touristen und vier Führern fährt im Van und Pickup zum Fuß des Vulkans, wo die eigentliche Besteigung beginnt. 

Schon in der ersten halben Stunde kämpft eine Frau mit der Anstrengung und ist kreidebleich im Gesicht – das schafft sie nicht. Auch mir wird schwindelig, ich befürchte, dass mein Kreislauf nicht mitmacht und konzentriere mich auf jeden einzelnen Schritt – bloß nicht umkippen jetzt. Wenig später legen wir aber die erste Pause ein, ich esse ein paar Kekse und fühle mich direkt besser. Von da an bin ich vorne mit dabei.

Zuerst laufen wir auf erdigem felsigen Boden, doch irgendwann kommt das Eis und der Eispickel kommt zum Einsatz, der uns mehr Halt und Stabilität gibt. So gehen wir in Reihe hintereinander her in den Fußstapfen des Vordermanns. Je höher wir kommen desto langsamer werden die Schritte. Manchmal würde ich gern schneller gehen und dann bin ich wieder froh um das langsame Tempo. Es gibt Momente der Stille, in denen keiner spricht und nur unsere Schritte im Schnee zu hören sind. Jeder scheint entweder konzentriert oder in Gedanken vertieft zu sein. Mir kommen Luftaufnahmen von Bergbesteigungen, wie ich sie im Fernsehen gesehen habe, in den Sinn. Keine Wolke ist am Himmel zu sehen. Mit voran schreitender Zeit wird es wärmer, doch die Luft bleibt kalt, so dass ich meine vier Lagen Kleidung anbehalte. Die bleiche Frau muss auf halber Strecke umkehren.

Mit regelmäßigen Pausen erreichen wir den Gipfel auf 2850 Metern nach fünf Stunden. Seit zwei Stunden quält mich meine Blase! Wir legen ab und ich kann mich endlich hinter Felsbrocken erleichtern – bei der Aussicht kann man sich richtig entspannen. Ich muss nur aufpassen, nicht mit runter gelassener Hose hinter dem Felsen vorzurutschen. Bei der Vorstellung muss ich schmunzeln, geht aber alles gut.
Jetzt dürfen wir zum Krater und hoffen alle, Lawa zu sehen. Die Windrichtung ist günstig sodass wir die Gasmaske gar nicht brauchen. Wir schauen in die Tiefe und da ist sie – man kann die kochende Masse sogar hören und die Jungs in der Gruppe können sich gar nicht vom Anblick lösen. Nach zehn Minuten müssen wir Platz machen für die nächsten und es ist außerdem vorgeschrieben sich nicht länger hier aufzuhalten.

Dann kommt der Teil, der unsere Kinderherzen höher schlagen lässt: im Rucksack finden wir eine Schneehose, extra Schutz für den Hintern, wasserdichte Handschuhe und einen Rutschteller. Es werden ein paar Regeln vorgegeben, damit nichts passiert und dann gehts ab. Wir rutschen auf unseren Tellern in Schneebahnen wie in einer Art Rodelbahn den Vulkan hinunter, der Schnee spritzt nur so, wir jubeln und jauchzen und kommen mit leuchtenden Augen unten an. ‚Das ist besser als Machu Pichu‘ höre ich von einigen, die schon in Peru waren.

Zurück im Hostel gibt’s für jeden ein Bier und wir sitzen noch eine Weile zusammen. Nach der Dusche besorge ich Zutaten für einen riesigen Salat – ich kann die ganzen Kohlenhydrate nicht mehr sehen und fühle mich sowieso schon wie ein aufgeblasenes Hefebällchen! Ich öffne den Wein zum Essen und um zehn falle ich todmüde ins Bett. Einmal mehr bin ich dankbar für die neuen aufregenden Erlebnisse.

Heiße Quellen, Kayak fahren auf dem See, Reiten, Skydiving, Hiking – all das und vieles mehr ist hier möglich. Mir ist aber mehr nach Abhängen im Hostel und so verbringe ich den Tag mit blättern im Reiseführer, wähle ein paar Orte, die ich sehen möchte, schaue nach Hostels und Couchsurfern. Weihnachten ist immer noch nicht klar wo. Danach kommen meine Schwestern Anne und Ellen für drei Wochen, Anfang und Ende in Buenos Aires. Das ist also schon mal fix.  Ich skype mit meiner Freundin Vanessa – tut gut sie mal wieder zu hören, zu sehen und meine Gedanken mit einer vertrauten Person zu teilen. Später das gleiche mit meinem Bruder Baldi.

Es geht nicht darum, wo ich auf der Welt bin. Das wird mir nicht den inneren Frieden bringen.

Ich habe übrigens eine Anfrage aus Puebla in Mexiko; nächste Woche Skype-Interview. Ob mir diese Erfahrung den Frieden bringt? Oder einfach noch ein Jahr mehr in der Welt unterwegs sein? Das Gefühl länger zu reisen, überwiegt momentan. Die Zeit vergeht schnell – schon drei Monate, in zwei Wochen ist Weihnachten.

Heute ist glaube ich Samstag und ich muss ich wieder früh raus, mein Bus nach Valdivia weiter im Süden fährt um 8:40. Es regnet! Da erst merke ich, dass ich in den letzten drei Monaten quasi keinen Regen hatte und ihn auch nicht vermisst habe, wenn ich mir den grauen Himmel so anschaue. Ich bin einfach ein Sonnen- und Warmwetterkind. Während ich alles zusammenpacke und Kaffee trinke, unterhalte ich mich mit einer Französin, Ende 30, lebt und arbeitet in London als Anwältin und reist das erste Mal allein für knapp drei Monate, kein Freund, hat sich auch schon mal gefragt, ob mit ihr was nicht stimmt, lernt auf ihrer Reise geselliger zu sein. Wir umarmen uns und ich laufe durch den Regen, begleitet von Straßenhunden, zum Busterminal.

3 Gedanken zu „Pucon“

  1. „Papa“ meint, dass das alles gut klingt. Würde dich gerne mal wieder drücken, um zu spüren, dass es auch so ist. Lese mit Unterbrechungen deinen Blog und hab zwischendurch ein bissl schlechtes Gewissen, wenn ich länger nicht dabei bin. Hört sich gut an, komme dich besuchen, wenn du dort bleibst…

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