Toronto, Canada

06 – 17 April 2017

Veränderung!

I see change, I embody change. All we do is change. Yeah, I know change. We’re born to change. We sometimes regard it as a metaphor that reflects the way things ought to be. In fact, change takes time, it exceeds all expectations, it requires both now and then. See, although the players change the song remains the same and the truth is you gotta have the balls to change! – Intro Joss Stone album

Ich sehe Veränderung, ich verkörpere Veränderung. Alles, was wir je tun, ist, uns zu verändern. Ja, ich kenne Veränderung. Wir sind dazu geboren. Manchmal betrachten wir sie als Metapher, die die Dinge darstellt wie sie sein sollten. Tatsächlich braucht Veränderung Zeit, sie übertrifft alle Erwartungen. Sie bedarf sowohl des Jetzt als auch der Zukunft. Auch wenn die Spieler sich verändern, bleibt das Lied doch das gleiche und die Wahrheit ist, du musst die Eier haben, dich zu verändern!

Mit schwerem Herzen komme ich zum Flughafen und erledige den Check-in wie ferngesteuert. Als der Flieger abhebt, gibt es endgültig kein Zurück mehr. Ich beruhige mich mit den Worten: alles hat seinen Sinn. Eine Stunde vor der Zwischenlandung in Atlanta werden wir informiert, dass das Unwetter dort so heftig ist, dass wir in Florida tanken müssen, bevor es weiter geht – fängt ja gut an. Wir bekommen Landeerlaubnis und selbst mit der Verzögerung sollte alles nach Plan laufen. Diese Rechnung zerschlägt mir der gut gelaunte Grenzbeamte allerdings gleich als er mir mitteilt, dass mein Anschlussflug drei Stunden Verspätung hat. Eine Ahnung, dass das nicht alles ist, bestätigt sich als ich gegen mittag die Wartehalle betrete und nach und nach das Ausmaß des Chaos hier am Flughafen überblicke: später lerne ich, dass Atlanta den größten Flughafen in den USA hat und genau hier macht sich heute ein Unwetter vom Feinsten breit. 

Konkret bedeutet das: hunderte Flüge werden gecancelt, Menschen stehen Schlange an den Schaltern und wollen alle mit dem nächsten Flieger an ihr Reiseziel. Mein Flug wird mehrmals verschoben, gecancelt und wieder verschoben. Wäre ich mal lieber in Lima geblieben! Für eine Stunde wird zur Sicherheit sogar alles dicht gemacht, da geht nichts rein oder raus.

Doch es gibt einen Lichtblick: Anthony besucht mich am Flughafen – ihn hatte ich beim Frühstück in Salvador kennengelernt und er hinterließ mir seine email um in Kontakt zu bleiben.

unerwarteter Besuch am Flughafen 

Da es noch Stunden dauert bis ich hier wegkomme, nimmt er mich mit, raus aus dem Flughafen, zu einem veganen Imbiss und besteht darauf, mich einzuladen. Wir sind zunächst die einzigen Gäste und ich bin ganz in unser Gespräch vertieft, als Anthony meint, er kennt die Frau neben uns – Angela Bassett! weltbekannte Schauspielerin – hier neben uns in diesem unscheinbaren kleinen Restaurant.

Anthony mit Angela Basset

Wir fahren wieder an den Flughafen; nach viel hin und her steht fest: heute komme ich hier nicht mehr weg.  Anthony bietet mir an, mich mit zu sich zu nehmen und morgen früh wieder her zu fahren – da sag ich nicht nein, denn die Nacht auf dem Boden in der Wartehalle zu verbringen, ist nicht wirklich verlockend. Wir fahren noch zum Supermarkt für Snacks, unterbewusst frage ich mich, was Anthony die ganze Zeit am Handy macht und als ich glaube, wir sind auf dem Rückweg zu ihm, hält er auf einmal in der Einfahrt eines Hotels: auf so überraschenden Besuch ist er nicht vorbereitet und hat heimlich ein Hotelzimmer gebucht, anstatt mich in sein angebliches Chaos mitzunehmen. Ich bin gerührt und als ich mich auf mein Bett schmeiße, bedauere ich sofort, dass wir nur so wenige Stunden in diesen verdammt gemütlichen Betten schlafen können. Wer weiß, wann ich sowas wieder bekomme!

Wir quatschen noch eine Weile bis ich in einen tiefen Schlaf falle und nach vier Stunden klingelt der Wecker, mit dem Sonnenaufgang bin ich zurück am Flughafen.

Insgesamt vierzig Stunden, nachdem ich in Lima aufgebrochen bin, komme ich in Toronto bei meinem neuen Gastgeber an. Das Wetter – zum kotzen! Grau, kalt und Dauerregen – nicht wirklich hilfreich, meine Stimmung zu heben. Ich fühle mich komplett falsch hier, erlebe einen Kulturschock – was mach ich hier? Dann noch die Frau an der Rezeption des Hochhauses, wo mein Gastgeber Turker lebt, die mit ihrer Unfreundlichkeit nur so um sich schlägt. Ich dusche, schreibe mit Raj, zu dem ich schon morgen umziehe, dort erst mal drei Tage bleiben kann und versuche dann auf dem Sofa zu entspannen bis Turker nach hause kommt. Wir essen im Shoppingcenter gegenüber und unterhalten uns dann bis spät am Abend – netter Typ, kommt aus der Türkei, arbeitet wie die meisten zuviel. Er überlässt mir für die Nacht sein Bett, da er früh am nächsten Morgen los muss, ich nehme am Nachmittag den Bus zu Raj, er wohnt direkt am High Park.

Raj begrüßt mich mit Handschlag – ich fühle mich zurückgewiesen, das bin ich gar nicht mehr gewohnt, der Kuss auf die Wange fühlt sich für mich natürlicher an. Wie muss es jemandem gehen, der sein ganzes Leben in Süden gelebt hat und dann hierher kommt? Raj ist sympathisch und offen, lustig und positiv, das macht das Kennenlernen leicht, seine Wohnung ist wunderschön, hier fühle ich mich sofort wohl und nach nicht mal zwei Stunden finden wir uns in tiefsinnigen Gesprächen über die Liebe.  Als der Hunger kommt, gehen wir vegane Burger essen. Wenn ich’s nicht besser wüsste, könnte ich schwören, das ist Hühnchen!

be an adult, be vegan!

Am nächsten Morgen mein erster Lauf seit langem und ganz zufällig findet heute ein Wettlauf hier im Park statt; ich mische mich unter die Menge.

Das Wochenende steht vor der Tür, Raj hat Zeit für mich, zeigt mir die Stadt mit ihren vielen Stadtvierteln in seinem BMW. Wir verstehen uns blendend und so werden aus drei Tagen ganz schnell zehn, Raj will mich gar nicht mehr gehen lassen und hat andauernd das Bedürfnis mich zu umarmen, was laut ihm normalerweise gar nicht seine Art ist: what are you doing with me, Sarah?!

  • Sonntag Nachmittag Party in einem riesigen Loft downtown: hier trifft sich schräg, schick and abgefahren, zwei DJs in den zwei größten Zimmern, viele kleine Räume, von denen die ein oder andere Tür zuweilen geschlossen ist – man darf vermuten, was dahinter vorgeht. Später kommt eine Liveband, gute Musik. Ich kämpfe immer noch mit meinem Kulturschock, kann den Abend dann aber doch genießen.
  • Brunch, coole Cafes, hippe Bars

  • ich mache Raj beim Poolspiel fertig; er meint, das wären unfaire Bedingungen, da ich ja sicher andauernd in irgendwelchen Hostels gespielt habe – recht hat er.
  • Tag am Ontario lake: ich entdecke einen schmalen Pfad, Raj will mich zurückhalten: ’stop it Sarah, that’s too dangerous!‘ Mit diesem Satz treibt er mich allerdings erst recht raus, spüre, wie lebendig ich mich hier fühle. Ich brauche Abenteuer, Verrücktheit, ein Stück weit Unvernunft – zuviel Routine, Anpassung und erwachsenes Verhalten machen mich krank! Ein Tourist filmt mich und meint im Scherz, er hat erwartet, dass ich stürze und er das Video auf youtube stellen kann, sehr witzig. Wenn der wüsste, was ich im Süden alles gemacht habe. Ich vermisse Südamerika!

Sarah stop, you’re crazy!

abends Livemusik in uriger Bar
  • Spaziergänge durch die verschiedensten Stadtviertel: Roncesvalles, Kensington, Ossington, Chillen im Park und größtes Shoppingcenter der Stadt

Kensington – das Hipsterviertel. typisch deutsches Essen hier: Döner!

  • ‚Steam Whistle‘ Brauereiführung mit anschließendem Spaziergang entlang des Ufers. Wir essen ‚Beavertail‘ und beobachten dann die Bewegungen des Stadtflughafens mit seiner kurzen Start- und Landebahn.

Ich bin auf Zimmer- und Jobsuche, besorge mir eine Simkarte – habe beschlossen es einfach mal laufen zu lassen. Wenn’s gar nicht geht, ist schnell ein Flug gebucht. Raj ist mir eine große Hilfe: er kennt sich aus, weiß, wo es schön und günstig ist. 

Raj sagt, ich habe eine anziehende Ausstrahlung, fühlt sich gut in meiner Nähe, hat das Gefühl mich schon ewig zu kennen. Ich fühle mich auf jeden Fall sehr entspannt mit ihm: er hat Humor, zeigt viel Gefühl, ist ehrlich und offen, seine Routinen und Angewohnheiten sind amüsant: hab selten jemanden erlebt, der so sauber ist, alles hat seinen Platz, ich ziehe ihn auf mit seinen duftenden hochwertigen Cremes – er bringt mich oft zum Lachen. Sein Musikgeschmack ist ausgezeichnet, er hat einen Sinn für schöne Dinge, liebt die Ordnung, kauft geplant ein, fragt sich jetzt nach der Begegnung mit mir aber auch, wofür er soviel Geld spart und hat eine Sehnsucht einfach alles stehen und liegen zu lassen und zu reisen. Raj kommt aus Indien und es ist spannend ihm zuzuhören, aus erster Hand vom Leben dort zu hören, was mich schon immer interessiert hat und das Land seit langem auf meiner Reiseliste steht. Wochen später schreibt er mir, dass ich ihn inspiriert habe und er gerade Schritte in die Wege leitet um eine Weile wie ich zu reisen.

Die Tage vergehen, ein Zimmer hätte ich schon, aber alles mega teuer hier; eine halbe Nacht liege ich wach und frage mich, was ich hier überhaupt mache: die Leute sind kühl und reserviert, man spürt das Geld an jeder Ecke, das Wetter noch kalt, keine sehr schöne Stadt, natürlich hat es tolle Cafes und Bars, aber keinen Charme, der einen sofort einfängt. Ich habe keinerlei Motivation hier in Toronto zu bleiben. Ich vermisse den Süden!!! Die Hitze, das Chaos, das Spontane, die Nähe zu anderen, die sich über so viele Kleinigkeiten ausdrückt: Umarmungen, Küsse, Lachen, Augenkontakt, die Sprache.

Am nächsten Morgen steht mein Entschluss fest: ich ziehe weiter nach Montreal: die Miete kostet nur halb so viel, ich kenne die Stadt, alles etwas übersichtlicher und außerdem schöner. etwas mulmig ist mir einzig bei dem Gedanken, dass sicher alte Erinnerungen wach werden. aber ein Flug ist schnell gebucht, nicht wahr?

Mit einem gemütlichen Tag auf der Couch mit Film, Wein und kochen am Abend schließen Raj und ich unsere gemeinsame Zeit ab. Ein Freund, der bleibt! Allein für ihn war es die Reise hierher schon wert.

2 Gedanken zu „Toronto, Canada“

  1. Und nun, Sarah?? Ich habe erst am Freitag von Vera und Mariana von Deinem Blog erfahren, wir beachen freitags zusammen.. ich bn begeistert von Deiner Art, zu schreiben!! Südamerika kenn ich auch gut, war da auch mehrere Monate schon unterwegs.. Ich hoffe, Du bist wohlauf, sind ja schon Monate vergangen nach Deinem letzten Eintrag!
    Que te vayas bien, Sarah!! Saludos, Tom (von den Ex-Schluckis)

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