Kurztrip nach Montreal: Freunde, Nähe und innerer Frieden

25 – 30 Juli 2018

Schon seit Monaten will ich mal wieder nach Montreal, um Freunde zu besuchen und Stadtluft schnuppern – meinem Herzen etwas Gutes tun. Endlich ist es soweit und ich genehmige mir fünf Tage weg von allem hier.

Am Tag vor meiner Abreise machen Sherry und ich früh Feierabend und sie lädt mich spontan auf ein Bier und Salat auf einer Terrasse in der Sonne ein. Zuhause warten die Hunde und Sherry füllt den kleinen Pool, den sie für Sundae zur Abkühlung gekauft hat. Knapp fünf Monate ist sie erst und jetzt schon riesig. Sie liebt Wasser und kann sich stundenlang mit dem planschen beschäftigen. Wir gönnen uns mehr Wein, stehen mit den Füßen im kühlen Wasser und liefern uns wenig später eine kleine Wasserschlacht, bei der ich Sherry über die Straße jage – ich denke an meine Kindheit mit unseren unzähligen Spieltagen auf der Straße. Am nächsten Morgen bringt Sherry mich zum Flughafen und wünscht mir tolle Tage. Sie spürt, wie sehr ich diese Auszeit brauche.

Am frühen Mittag lande ich in Montreal, nehme den Busshuttle in die Stadt, dann die Metro Richtung NdG. Dort wohnen Benjamin und Brigitte, bei denen ich wieder schlafen werde. Ich mag die Metro, die Ansagestimme, die unterschiedlichen Menschen, die ein- und aussteigen; viele schöne Erinnerungen werden wach. Bei Villa Maria steige ich aus, Benjamin und Brigitte’s Haus ist nur fünf Minuten entfernt. Ich finde den Hausschlüssel wie vereinbart und mit dem ersten Schritt in ihr Heim fühle ich mich wie zuhause.

Charlie hütet das Haus

Ich lege meine Sachen ab und laufe entlang Monkland. Es hat sich kaum etwas verändert: rechts der Naturkostladen, links der vegane Imbiss und daneben der Coffee Shop ‚melk‘; weiter unten der Laden ‚Zone‘ für moderne Einrichtung und an der Ecke der Asiate. Es ist warm und schwül. Im Café melk bestelle ich Cappucino, suche mir einen Platz in der Sonne und aktualisiere mein Tagebuch. Ein Jahr ist es jetzt her, als ich hier aufgebrochen bin. Nie hätte ich gedacht, dass ich immernoch bzw wieder in Kanada sein würde.

Cappuccino im Café melk

Rechtzeitig bevor Benjamin von der Arbeit kommt, bin ich zurück. Ich brauche eine Weile, bis ich ihn auf den aktuellen Stand gebracht habe. Wie erwartet hat er seinen ganz eigenen Standpunkt, eine besondere Sichtweise auf meinen Bericht und viele Ideen, wie ich von hier aus weitermachen kann. Irgendwann schaut er mich an und meint: geh zurück nach Südamerika, das ist doch, wo du wirklich sein willst! du hasst den Winter und das wird sich nicht ändern. Er erinnert sich wahrscheinlich an meine strahlenden Augen als ich letztes Jahr direkt aus dem Süden kam.

Wir laufen zum veganen Restaurant ‚Aux vivres‘ und unser Essen ist hervorragend – lecker! Später sehe ich Brigitte, wie so oft kommt sie auch heute erst gegen neun Uhr abends heim und ist goldig wie immer. Den nächsten Tag beginne ich mit Joggen und laufe am Mittag im Auftrag von Sherry zum Harley Davidson Store. Sie fährt zwar momentan kein Motorrad, mag aber die Klamotten und möchte ein Shirt mit dem Montreal-Aufdruck. Die Auswahl ist groß: ich nehme Kontakt mit ihr auf und sie ist sofort ganz begeistert, dass ich wirklich hier bin. Alles, was meiner Einschätzung nach infrage kommt, fotografiere ich und probiere an, sie entscheidet sich für zwei Teile, ist ganz glücklich.

Shopping für Sherry im Harley Davidson Store

Danach geht’s direkt weiter zu Eric. Ich freue mich sehr ihn zu sehen. Er wirkt positiv und ausgeglichen, zeigt mir seine neue Einrichtung. Endlich macht er es sich schön in seiner Wohnung, gefällt mir. Er reicht mir ein Glas Gin, wir bestellen Dumplings, wechseln zu Wein und gemütlich auf dem neuen Sofa reden wir bis in die Nacht. Ich erzähle viel, bin ganz offen, auch von meiner Erfahrung mit einer Frau. Noch nie habe ich ihn so erstaunt gesehen, was mich zum Lachen bringt. Er kann es kaum fassen, neckt mich den ganzen Abend. Ich biete ihm Unterhaltung vom Feinsten, er interpretiert mein wildes Leben als meine Midlife-Crisis.

Als ich am nächsten Morgen vom Laufen komme, treffe ich auf die kleine rundliche asiatische Putzfrau bei Ben. „Sarah, are you an athlete? I love your body! I want to lose my belly.“ Ich entgegne: „less sugar and exercise!“ Später fragt sie mich ernsthaft, ob ich bei den Olympischen Spielen mitmache und ob sie ein Autogramm haben kann. Sehr amüsant.

Ben und Brigitte lieben gutes Essen genauso sehr wie ich und führen mich am Freitagabend zum ihres Erachtens besten Inder aus – mega lecker! Am Samstag wird ausgeschlafen, dann frühstücken wir gemütlich auf der Terrasse, sammeln Brigitte’s Schwester ein und machen einem Spaziergang im Park, halten am Oratorio und kühlen uns ab mit Bier in der St Ambroise Brewery am Canal Lachine.

Oratorio

St Ambroise Brewery

Als es dämmert bitte ich sie mich an der Metro Lionel-Groux abzusetzen, denn ich bin mit Aishah, meiner alten Mitbewohnerin, zum Dinner in Chinatown verabredet. Sie sieht gut aus und wir haben uns viel zu erzählen. In Aishahs Leben tut sich einiges und es ist schön ihr zuzuhören. Wir vermissen uns beide, wohnten gerne zusammen. Ihr Lachen ist nach wie vor entzückend. Danach ziehen wir auf einen Cocktail weiter in die Bar ‚mal necessaire‘. Eigentlich wollen wir noch tanzen gehen, als wir jedoch an der Metrostation warten, sind wir beide so müde, dass wir es dabei belassen, uns mit einer festen Umarmung verabschieden und nach hause fahren.

Bar ‚Mal Necessaire‘

Auch den Sonntag starten wir wieder mit einem späten Frühstück – Benjamin ist ein ausgezeichneter Koch! Wir unterhalten uns lange, ich genieße die Gespräche mit den beiden. Wir planen meinen letzten Tag hier und Benjamin erzählt von einer neuen veganen Bäckerei – Café dei Campi – die muss getestet werden! Wir bestellen ein paar Teilchen. Anschließend noch ein Stop in der Bäckerei Guillaume im Le Plateau – allein bei dem Gedanken läuft mir das Wasser im Mund zusammen.

vegane Bäckerei und Konditorei Café dei Campi

Tam-Tams: jeden Sonntag versammeln sich am nördlichen Ende des Parc du Mont-Royal teilweise hunderte Trommler zum gemeinsamen Musizieren und ziehen damit Tänzer, Schaulustige, Händler und verschiedenste schräge Vögel an. Wir suchen uns einen Platz auf einer Mauer und betrachten das Spektakel eine Weile.

Tam Tams

Da ich morgen schon wieder abreise, treffe ich Eric nochmal im Café Mercanti, er wohnt ganz in der Nähe. Seine Gegenwart ist angenehm und die Vertrautheit, die zwischen uns herrscht, tut gut. Es wird abend und Benjamin wird kochen, also begleite ich Eric zu seinem Apartment, was im selben Stadtviertel liegt und auf dem Weg: eine innige Umarmung zwischen uns und ein Gefühl von endgültigen Frieden mit ihm tritt ein. Er küsst mich auf die Stirn.

In mich gekehrt und mit positiver Sicht in die Zukunft laufe ich heim: die Tage hier in Montreal und der Abstand von allem waren genau das, was ich gebraucht habe – gaben Raum, die eigenen Gefühle zu spüren. Auch wenn ich mit Heimweh kämpfe, sehe ich mich nach wie vor noch nicht zurück in Deutschland und fühle mich wohl hier. Etwas sagt mir, da ist noch mehr, was es zu erkunden gilt. Sherry hat viele Pläne für gemeinsame Aktivitäten in nächster Zeit. Die Begegnung mit ihr ist wieder eine dieser Fügungen, die das Leben so herrlich spannend machen. Ich sage mir: Alles wird gut. Folge deinem Herzen. Wage neues. Mach, was dir gut tut. Gib nicht nach, nur um es anderen recht zu machen.

Am Montag morgen verabschiede ich mich von Montreal: ich mag die Stadt immer mehr, verstehe jetzt die Anziehungskraft, das europäische Flair, die kleinen Läden, das Essen, die grünen Alleen. Heute abzureisen ist nicht leicht, denn ich fühle mich gut aufgehoben hier mit Freunden, die mich immer mit offenen Armen willkommen heißen und mein Bedürfnis nach regem sozialen Leben stillen.

Gib mir Freundschaft – nur so kann ich voll und ganz ich sein.

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