Salta und Cafayate

06 – 09 Januar 2017

Nach zwei Nächten im Bus und einem verregneten Tag in Resistencia im Shoppingcenter, kommen wir am Freitag morgen ziemlich müde in Salta an.

Regen in Resistencia – Shoppingcenter!

Ich will meinen Schwestern zeigen, welche tollen Erfahrungen man über Couchsurfing haben kann. Schon beim Anblick des Hauses beschleicht mich jedoch ein seltsames Gefühl, sieht runtergekommener aus als die Nachbarhäuser. Ein Mann, Mitte 30, längeres dunkles Haar, öffnet uns die Tür. Wir treten ein und ich frage mich direkt, ob hier überhaupt jemand wohnt. Wird hier gerade noch renoviert?Bruchbude! Die Fenster in unserem Zimmer sind mit Zeitungspapier abgedunkelt, am Boden fehlen einige Holzdielen, die Küche sieht aus wie eine Werkstatt und die Dusche erfüllt gerade so ihren Zweck. Aber Hauptsache der Traumfänger hängt, braucht man hier wohl auch. Wir duschen, machen Smalltalk bei Zigarettenqualm und gehen erst mal in die Stadt was essen zur Lagebesprechung. Wir finden das einzige vegane Restaurant der Stadt, bestellen drei verschiedene Gerichte, Smoothies und dann noch Maracuja-Käsekuchen – ein Traum!

Da schlägt mein Veganerherz höher!

In der Bruchbude bleiben wir nicht, das steht fest. Auf dem Weg zurück buchen wir uns also in ein Hostel ein, was ganz anständig aussieht und ich übernehme die Aufgabe, unserem Gastgeber zu erklären, dass wir nicht bleiben. Nicht ganz angenehm, das Gespräch, das kann ich euch sagen. Ich versuche so ehrlich wie möglich zu sein – auch eine Sache, die ich lerne beim Reisen: noch klarer formulieren, was man eigentlich sagen will, keine faulen Kompromisse mehr eingehen. Negative Situationen nicht ohne Not aushalten. Er hat nichts einzuwenden, was soll er auch sagen, und weg sind wir.
Obwohl es anfängt zu regnen, nötigt Ellen uns, den Aussichtspunkt mit über 1040 Stufen zu besteigen. Hinterher bin ich ihr dankbar, denn die Aussicht ist gar nicht schlecht und die Bewegung tut auch gut. Außerdem haben sich die Warnungen, wie heiß es hier im Norden sein soll, nicht bestätigt.

‚Sarah, jetzt lach mal‘

Zurück im Hostel treffen wir in der Küche auf eine Gruppe Franzosen (ältere Semester) – sechs Freunde, die zwanzig Tage zusammen wandern. Wir werden gefragt, woher wir uns kennen. „We are sisters.“ Ungläubige Blicke: „…from three different fathers?“ Ich muss laut lachen. Ja, immer wieder lustig, welche Reaktionen wir bekommen. So kommen wir ins Gespräch und werden eingeladen, mit ihnen auf der Dachterrasse zu essen, worauf Anne schon seit einer Stunde spekuliert, da sie deren Gulasch probieren möchte. Während des gemeinsamen Essens begleitet von Rotwein, finden wir heraus, dass einer der Männer sein Geld mit Gänsestopfleber verdient; der nächste ist Milchbauer. Er verteidigt sich vor mir mit dem Zusatz, dass alles bio ist. Und schon sind wir mitten in der vegan-soja-regenwald-gesunde ernährung-naturschutz-diskussion. Hier noch ganz angenehm, da nie zu ernsthaft und im richtigen Moment ein Witz gerissen wird, denn manchmal kann ich die Kommentare echt nicht mehr hören. Ich verabschiede mich ins Bett mit den Worten ‚ich hab recht! Bonne nuit!‘ und schaue in lachende Gesichter.

Ellen hat schon vor ein paar Tagen betont, dass sie in den drei Wochen gerne möglichst viel sehen will und keine Zeit zu vertrödeln ist, was ich nachvollziehen kann. Bedeutet eben, dass man etwas schneller und teurer reisen und manchmal auch die Touristenangebote annehmen muss, die mir eigentlich zuwider sind. Mein Budget für diesen Monat wird also höher ausfallen als die Monate zuvor, aber die Zeit in Bolivien und Peru wird das hoffentlich wieder ausgleichen, da soll es nämlich endlich günstiger sein.

Wir folgen also Ellens Wunsch und machen am Samstag eine Tour im Minivan mit zehn weiteren Touristen von Salta Richtung Norden über Humahuaca, durch die sieben bunten Berge (ohne Zwerge) hin zu den Salinas grandes, eine der großen Salzwüsten hier in Südamerika. Unser Tourguide und gleichzeitig Fahrer scheint in seinem früheren Leben Rennfahrer gewesen zu sein, denn er brettert gekonnt durch die Landschaft und wir überholen im Laufe des Tages alle anderen Vans, die ebenfalls auf Touritour sind. 

Wie geahnt, sitzen wir die meiste Zeit im Van, halten aber an allen wichtigen Punkten mal länger mal kürzer, schießen lustige Fotos in der Salzwüste, kommen bis auf über 4000 Meter und essen in einem kleinen Dorf zu Mittag. Anne und Ellen bestellen Lamafleisch, was ich gar nicht befürworte. Als ich um mich schaue, bin ich beim Blick auf die Teller ziemlich frustriert, da fast alle nur das Fleisch essen und die Kartoffeln kaum anrühren – das wird ewig dauern bis sich hier etwas ändert, wo steuert unsere Welt nur hin…

Mit leichten Kreuzschmerzen betrete ich am späten Nachmittag wieder die Straßen Saltas. Wir laufen zum Markt, kaufen Zutaten für Salat, den ich zubereiten werde und decken uns mit Obst ein. Der Besitzer des Hostels versucht uns zu überreden, auf der Terrasse mit den anderen Wein zu trinken, aber wir sind heute lieber Partymuffel und bleiben im Bett. Die Party auf dem Dach entgeht uns aber dennoch nicht, da unser Zimmer zum Innenhof geht und uns die Musik bei voller Lautstärke bis 4:30 beschallt, ganz zu schweigen von Knutschspielen und Gelächter. Wir haben einfach ein schlechtes Händchen, was die Nächte angeht.
Dementsprechend unausgeschlafen stehen wir am Sonntag früh auf, trösten uns aber mit der Vorfreude auf das Hotel kommende Nacht, das wir in Cafayate reserviert haben. Die Fahrt dorthin führt uns fast vier Stunden durch ein beeindruckendes Felsenmeer.

Boah, Cafayate ist heiß! Meine Schwestern zücken direkt ihren Hut, um sich vor der brennenden Sonne zu schützen. Nach zehn Minuten durch die staubigen Straßen erreichen wir das Hotel, was endlich unsere Erwartungen erfüllt: Pool, Jacuzzi auf dem Dach mit toller Aussicht über die Weinreben, Zimmer sind sauber und groß, frisch duftende Handtücher, geräumige Regendusche. Yes! Wir schmeißen uns direkt aufs Doppelbett. 

Wer nach Cafayate kommt, sollte Wein mögen, denn hier gibt es mindestens zwanzig verschiedene Weingüter, wo man meist unangemeldet auf eine kurze Weinprobe vorbeischauen kann. Genau das haben wir heute vor, wollen aber vorher noch Empanadas probieren – alles dicht – Siesta. Also gibts erst mal nur Eis und dann direkt zum Weingut. Wir bekommen eine kurze Führung und vier Weine, die so lala sind. Aber macht Spaß und mit leichtem Schwips holen wir uns auf der Straße frisch geröstetes Panini, kühlen uns im Pool ab und steuern am Abend nochmal den berühmten Empanada-Laden an. Pünktlich, wie sich das für Deutsche gehört, sind wir kurz nach acht da, aber die Tür ist immernoch zu. Also trinken wir ein Bier am Marktplatz und danach ist endlich geöffnet. Anne und Ellen bestellen ein paar Variationen – ohne Käse und ohne Fleisch? Keine Chance! Scheiß drauf, ich probiere trotzdem eine mit Gemüse und etwas Ziegenkäse. Ellen meint, eigentlich sind Empanadas wie eingerollte Pizza; Fans sind wir irgendwie alle drei nicht.

Weinprobe bei Bodega Nanni

Frisches Panini und Empanadas

Im Hotel legen wir uns zu dritt ins Doppelbett – fühlt sich ein bisschen an wie damals in Mama und Papas Bett zu liegen, wenn diese ausgegangen waren – und schauen einen Film auf dem einzigen englischen Sender hier. Wir schlafen hervorragend in frischen Leinen auf hervorragenden Matratzen.
Das Frühstück, welch Überraschung, bietet fünf verschiedene Variationen von Weißbrot: weißer und dunkler Toast, Croisants, Blätterteig, aufgebackenes Brot und süße Bällchen – und da soll man noch in Form bleiben. Bevor wir am Abend Cafayate verlassen, genießen wir den Pool und die Hängematten.

Heute trennen wir uns für fünf Tage, da Anne und Ellen nach Bariloche fliegen, um die Gegend da unten noch zu erleben. Da ich schon dort war, nehme ich den Nachtbus nach Cordoba. Am 15. treffen wir uns in Uruguay wieder, bissl Strand bevor der Urlaub für die beiden zuende geht.

Der Tag der Entscheidung rückt näher: Mexiko ja oder nein, im Juni nach hause oder länger reisen? Die Liste wollt ihr gar nicht sehen, macht mich wahnsinnig, dieses hin und her im Kopf. Aber dann vertraue ich darauf, Ende Januar einfach zu spüren, was richtig für mich ist. Nicht soviel nachdenken…was soll schon passieren…

Mir fehlt die gemeinsame Zeit mit Freunden besonders. Sich beim Reisen immer wieder verabschieden müssen und neu beginnen ist hart und kräftezehrend.

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