San Pedro bis Uyuni

19 – 24 Februar 2017

Ich sags euch vorneweg: das wird ein langer Artikel! Macht es euch gleich mal auf dem Sofa bequem. Diese fünf Tage waren abenteuerlich, atemberaubend und unglaublich bereichernd!

Meine zweite Mitfahrgelegenheit Richtung San Pedro ist Cristian. Seine erste Frage bevor ich einsteige: ‚Do you speak English?‘ Später erzählt er, dass er gehofft hat, sein Englisch mit mir üben zu können, als er mich am Straßenrand stehen sah – gerne doch! Er wirkt etwas bedrückt und ich erfahre, dass er und seine Frau sich vor zwei Monaten getrennt haben, zwei Kinder, harte Phase gerade – und er fährt heute einfach so in der Gegend herum, um mit seinen Gedanken allein zu sein. Ich spüre seinen Schmerz und biete ihm an heute abend was zusammen trinken zu gehen. Wir tauschen Nummern aus und nachdem ich ein sympathisches kleines Hostel gefunden habe, verabreden wir uns am Plaza. Auf einer Dachterrasse mit DJ und Elektromusik verbringen wir zwei Stunden und ich hab das Gefühl, das ist genau das, was Cristian heute braucht. Trotz all dem Schmerz blickt er positiv in die Zukunft.

Am Morgen gehe ich endlich mal wieder laufen: kleine Runde und ich bin ziemlich fertig als ich zurückkomme, denke erst es ist die Hitze, bis mir einfällt, dass wir hier auf fast 3000 Metern sind. Es frustet mich, mein Sportpensum während des Reisens nicht aufrecht erhalten zu können. Bis zum Abend pendle ich zwischen Hängematte und Küche, schreibe am Blog und verarbeite meine intensiven Träume von letzter Nacht: meine letzte Romanze in Deutschland besucht mich irgendwo am Meer und ich freu mich riesig. Mama stirbt, ich weine im Schlaf, höre ihre Stimme klar und deutlich, ihre positive Art ist unglaublich präsent.
Couchsurfer Franco lädt mich ein, spontan auf ein Bier in eine Bar zu kommen, wo er gerade mit einem Freund sitzt. Ich überlege nicht lange, zwei Spritzer Parfüm, mit den Fingern durch die Haare, kurzer Blick in den Spiegel -du siehst gut aus – und los. Die urige Bar ist voll, manche stehen auf der Straße und warten auf den nächsten freien Sitzplatz oder rauchen. Ich blicke umher und treffe auf Blicke eines jungen Kerls mit hellbraunem mittellangem Haar, hübsches Gesicht, Outdoor-Kleidung wie fast alle hier. Ich nähere mich und werde neben Franco von seinem Freund Manuel und Marcio begrüßt. Marcio ist Brasilianer, reist mit seinem Motorrad und Zelt gerade vier Wochen umher und hat die zwei Jungs gerade selbst erst kennengelernt. Wir trinken zusammen Bier, die Jungs sind Tourguides und verdienen sich so ihr Geld fürs Weiterreisen. Marcio, 42, kommt aus Salvador, ist Geschichtslehrer, hat aber mittlerweile seine eigene Sprachschule und ist momentan mehr mit Administration als mit unterrichten beschäftigt. Er ist unverschämt braun gebrannt und surft für sein Leben gern. Gegen halbeins brechen wir auf und Marcio besteht darauf, mich noch nach hause zu begleiten. Auf dem Weg blicken wir nach oben – wow! Selten hab ich so einen Sternenhimmel gesehen – wir genießen diesen Anblick und Marcio drückt aus, dass er sich freut, diesen Moment mit mir teilen zu dürfen.

Am Hostel angekommen, stehen wir vor verschlossener Tür und ich ahne schon, was das bedeutet. Ein Blick zu Marcio – nein, ich hab keinen Schlüssel. Ich klingel bestimmt zehn Mal – nada! Da rührt sich gar nichts. Marcio: ‚Bevor du mit den Hunden auf der Straße schläfst, kann ich dir anbieten, mit mir in meinem Zelt zu schlafen. Viel Platz ist nicht, eher wie ein Sarg, aber besser als auf der Straße.‘ Ich schaue ihn an und weiß, das ist meine einzige Option. Er betont, dass ich keine Bedenken haben muss, er macht nichts. Also machen wir uns gemeinsam auf den Weg Richtung Zeltplatz und ich muss lachen – was eine Geschichte! Weder muss ich morgen arbeiten noch steht sonst etwas Wichtiges an. Ich bin in San Pedro in Chile unter bezauberndem Sternenhimmel und werde heute Nacht mit einem Mann ein Zelt teilen, den ich seit zwei Stunden kenne – und bin echt froh, dass er mich begleitet hat, was hätte ich sonst gemacht?!

Marcio teilt seine Zahnbürste mit mir und wir legen uns in seine Sardinenbüchse. Es dauert keine Minute bis wir uns in den Arm nehmen und aneinander kuscheln, denn es ist kalt! Ich spüre, dass Marcio sich von mir angezogen fühlt, doch er zeigt Sensibilität für meine Lage und nutzt die Situation nicht aus, das macht ihn noch sympathischer. Glaubt mir natürlich hinterher keiner, dass nix gelaufen ist mit einem Brasilianer unter einer Decke, bzw in einem Schlafsack. Nach einer Nacht mit viel Hundegebell und Lärm von anderen Campern überlasse ich Marcio sein Bett für sich und laufe nach hause um mich nochmal eine Stunde hinzulegen. Hostel ist auf und ich lerne, dass es einen Schlüssel gibt, den man mitnehmen kann – ah ja…

Morgenhimmel nach meinem Abenteuer im Zelt

Ich bereite mich auf die Dreitagestour nach Uyuni vor, die morgen ansteht und das Highlight einer Bolivienreise ist, mache meine Übungen und lade Marcio zum Brunch im Hostel ein – Pfannkuchen mit Banane. Er will heute eine Tour mit dem Motorrad zum ‚valle de la luna‘ machen. Trotz aller Bemühungen finden wir aber keinen Helm für mich. ‚Wie kann er auch Brasilien ohne einen zweiten Helm verlassen und nicht daran denken, dass er einer so hübschen Frau begegnen könnte‘, meint der Gastvater im Hostel. Ich muss also zuhause bleiben, doch als es eine Stunde später anfängt heftig zu regnen, bin ich ganz froh im Trockenen zu sein. Dafür gehen wir am Abend eine Flasche Wein trinken und unterhalten uns ohne Punkt und Komma – intelligenter Mann und herausfordernd für meinen Geist. Hand in Hand laufen wir zu meinem Hostel und reden noch ewig vor der Tür, der Abschied fällt schwer.

‚I think you will go back to Germany with all the experience, everything you have seen on your journey, open your vegan café and bring the world to that place.‘ – Marcio

Wir nehmen uns mehrmals ganz fest in den Arm, ein Kuss, mit Blick zurück geht er davon. Was für eine Begegnung – muss das noch eine Weile auf mich wirken lassen.

Marcio, mein Retter in der Not

Am Mittwoch früh werde ich um 7:30 abgeholt und nach zwei Stunden im Van gibt es Frühstück in einem Tal umgeben von Bergen und es ist kalt und windig. 

Wir steigen um in Jeeps, ich suche mir nach Gefühl die sympathischste Gruppe, die dann für drei Tage so bestehen bleibt: zwei chilenische Pärchen: Valentina und Jorge, Alejandra und Rodrigo. So komme ich mir nicht so touristisch vor und kann weiter Spanisch sprechen. Cara aus Hamburg gesellt sich noch dazu. Mit Simón, unserem Fahrer, steht unsere Gruppe. In den drei Tagen ist für alles gesorgt, war nicht ganz billig, ist das Geld aber allemal wert. Wir verstehen uns auf Anhieb, lachen viel gemeinsam und sitzen immer noch lange nach dem Essen zusammen und quatschen. Auf Cara müssen wir ein bißchen aufpassen, den unser 18 jähriges Küken stellt sich schnell als Tollpatsch heraus – so verliert sie am ersten Tag ihr Handy, dann ihre Brille, die aber ein Guide wiederfindet und an der grünen Lagune fällt sie der Länge nach ins Wasser.

Die Natur, die uns in diesen Tagen begegnet, ist einfach überwältigend und ich möchte hier mehr Bilder als Worte sprechen lassen – übrigens alles ohne Farbfilter!

Erste Lagune mit Flamingos
Beeindruckende Stille!

Hot springs!
Geysers!
Unsere erste Unterkunft mitten im Nirgendwo

Nachdem wir unsere Zimmer in unserer Unterkunft bezogen haben, die mehr als einfach ist, aber alles hat, was man so braucht für eine Nacht, gehts nochmal los zur nahegelegenen Laguna de Colores: rotes Wasser, mehr Flamingos und ein verdammt sattes Grün! 

Ganz weit hinten entdecke ich Alpakas, da muss ich hin!

Wenn ich die Bilder anschaue, kann ichs selbst kaum glauben. Was ein Anblick – und ich darf hier sein!

Zurück in unserer Herberge gibts Abendessen und relativ früh legen wir uns schlafen, denn morgen früh gehts zeitig weiter.

Gepäck wird von den Guides wieder aufs Dach geschnallt

Der zweite Tag bietet mehr Lagunen, Felsformationen, grüne Ebenen und so beeindruckenden Landschaften, dass ich kaum fassen kann, wie viel unberührte Natur es doch noch gibt auf dieser Erde; und von einer Schönheit, die einen einfach nur stumm staunen lässt. Wir nehmen übrigens im Gegensatz zur Mehrheit ganz rebellisch die alternative Route, da dort zum einen nicht nur Lagunen zu sehen sind, sondern außerdem auch Simons (unser Fahrer) Lieblingsort, was uns alle neugierig macht. Angenehmer Nebeneffekt: viel weniger los hier!

Mit dem ersten Blick auf diesen Ort ist uns ganz schnell klar, warum er für Simon so besonders ist:

Ein Meer von moosartigem Gras zieht sich zwischen den Felsen dahin, durchzogen von unzähligen Wasserstellen, über die man sich seinen Weg bahnen muss (hier hauts unser Küken übrigens auf die Schnauze).

Ganz hinten steigen wir rechts auf die Felsen und der Ausblick ist unglaublich.

Jeder sucht sich seinen ganz eigenen Platz und so sitzen wir im Stillen, atmen tief ein und aus und lassen uns durchströmen von dem Frieden, der diesen Ort so einzigartig macht.

Nach der Lunchpause und einem weiteren Aussichtspunkt fahren wir zum ‚Hotel de Sal‘, der Name ist Programm.

Hotel de Sal

Selbes Spiel wie am Abend zuvor: Tee, Kaffee und Kekse, Abendessen und früh ins Bett. Morgen wollen wir zum Sonnenaufgang in der Salzwüste sein. In den Nächten regnet es übrigens heftig, was ausnahmsweise mal perfekt ist. Warum? Seht selbst:

Salar de Uyuni

Da kann man sich noch so viele Bilder vorher anschauen, dieses Naturschauspiel ist einfach nur wow! Dann kommt der Moment, in dem wir anhalten und aussteigen dürfen – Fotoshooting! Da ich keine wasserfesten Schuhe dabei habe, entscheide ich mich für Flipflops. Hammer Fotos sinds geworden und sieht alles supercool aus. Scheißekalt wars!

Man beachte, dass ich barfuß im eiskalten Wasser stehe – easy!

Teil zwei im Trockenen, ich bin komplett durchgefroren!

Größte Salzwüste der Welt – kann man auch aus dem Weltall sehen

Wir verlassen die Wüste, halten auf einem kleinen Platz mit Touriständen, wo ich mir zwei paar Stulpen kaufe, die in den Wochen danach jeden Tag in Gebrauch sein werden, essen ein letztes Mal gemeinsam und halten auf dem Weg nach Uyuni noch bei den alten Zügen.

In Uyuni, kein Grund sich länger als nötig dort aufzuhalten, gehen drei wunderschöne einzigartige Tage zu Ende.

5 Gedanken zu „San Pedro bis Uyuni“

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