Haymarket, Virginia. Family time

17 August – 07 September 2017

Carola kenne ich von meinem ersten Semester an der Uni in Heidelberg und sie steuerte damals direkt auf mich zu, da ich in meinem sportlichen Outfit mit Basecap für sie so aussah als könnte ich auch einen amerikanischen Freund haben wie sie. Leider zog sie nach einem Jahr mit ihm in die Staaten; für ein paar Jahre kamen sie zurück, er arbeitete für die Army. Inzwischen lebt sie mit jetzt Ehemann Tim, drei Kindern und Hund in Haymarket, Virginia. Über all die Jahre haben wir es geschafft, Kontakt zu halten und durchschnittlich besuche ich sie einmal pro Jahr auf dem Weg in eines meiner Reiseländer.

Als ich am Donnerstag in Washington ankomme, werden die Amis an der Passkontrolle stutzig, da sie nicht damit klarkommen, dass ich weder ein Ausreiseticket noch einen wirklichen Reiseplan habe. Dann noch die Frage „Are you planning on finding work here?“ Genervt antworte ich: „definitely not!“ Fanden die glaube ich nicht so witzig, aber ich konnte einfach nicht an mich halten. Dann muss alles geprüft werden – reine Schikane, wenn ihr mich fragt. Zwei Stunden später fallen Carola und ich uns endlich in die Arme und es fühlt sich an als hätten wir uns gestern erst gesehen. Die große Überraschung zu Hause der neue Pool – wow! Noch am selben Abend springen wir rein.

fancy Pool mit Nachtbeleuchtung

Zwei Tage später feiern ihre Jungs Jordan und Taylor ihren neunten Geburtstag, natürlich gibt das eine Poolparty! Wir bereiten den kompletten Vormittag vor und dementsprechend entspannt läuft der Tag – die Kinder haben Spaß im Wasser, was braucht man auch mehr. 

Happy Birthday!

Ich lerne Stacy, eine Mutter von Kindern aus der Nachbarschaft kennen und mag sie sofort: ein handfestes Mädel wie ich ohne das ganze oberflächliche Getue. Sie will alles über meine Reise hören und ist begeistert, dass ich meinem Herzen folge. Ich kann mir vorstellen, dass sie eine gute Freundin für Carola wird. Bevor ich abreise, wollen wir zusammen ausgehen.

Die nächsten Tage verbringe ich mit den Kindern am Pool, helfe im Haus wo ich kann, sobald Carola von der Arbeit kommt, hängen wir zusammen. Ich genieße die Idylle und den Klatsch und Tratsch im Vorort.

Immer wieder bin ich erstaunt wie Carola das alles meistert: Fulltime-Job in der Schule, Fernstudium, drei Kinder zu Hause, die Aufmerksamkeit brauchen, sobald sie nach Hause kommt, Unterricht vorbereiten, Hausarbeit, Hausaufgaben mit den Kindern, Hund und mehr. Ihre Kochkünste sind ausbaufähig, worüber wir uns beide immer mal wieder amüsieren. Sie ist für mich die absolute Powerfrau!

Der Pool ist lang genug zum Bahnen schwimmen und so bringe ich Carola mithilfe meines Freundes Felix in Brasilien das Kraulen bei. Schwimmtraining kommt also auch noch in ihren vollen Tagesablauf. Neben anschaulichen Videos, die er mir von sich schickt, ist das Highlight eine Liveschaltung an einem Abend – Carola ist deswegen den ganzen Tag aufgeregt. Wir schicken fleißig Videos von ihren Fortschritten und befolgen Anweisungen. Ihre Entwicklung nach drei Wochen kann sich sehen lassen, mein eigener Stil verbessert sich durch die Auseinandersetzung gleich mit.

Demnächst muss ich mich entscheiden, wo die Reise als nächstes hingeht. Ich bin zögerlich und sollte mich endlich mal ernsthaft mit dem Gedanken beschäftigen, welche Alternativen für mich attraktiv sind, da ich mir immer weniger vorstellen kann, in mein vorheriges Leben zurückzukehren. Fühlt sich manchmal fast an, als wäre das eine Erinnerung an einen wunderschönen Abschnitt, der aber nicht mehr zu dem Mensch passt, der ich jetzt bin/ beginne zu werden. Nach vielen Gesprächen meint Carola immer wieder: du gehst nicht mehr ins Klassenzimmer zurück!

Die Zeit fliegt: jeden Tag schwimmen und laufen, das Wetter hier ist traumhaft, ich verbringe viel Zeit mit den Kindern. Die Bindung zwischen mir und Carola wächst, ich habe zum ersten Mal auch längere Gespräche mit ihrem Mann Tim: intelligent, smart, tolerant und er ist nie um einen Scherz verlegen, ich liebe seinen Humor.
Ihre Kinder lassen mich die Welt aus deren Augen sehen, kein Gedanke wird an morgen verschwendet. Payti liebt es zu kuscheln, ich spüre bedingungslose Liebe, dass man alles für sie geben würde. Payti rennt auf mich zu, wenn ich nach der Schule auf die drei warte, sie umarmt mich, schönes Gefühl; auch die Jungs entwickeln tieferes Vertrauen in mich, Kuss auf die Stirn zum Abschied morgens.

way to school/ Nachmittage am Pool
Payti in action/ wir haben Spaß im Supermarkt

Kinder sind kleine junge Menschen, die im hier und jetzt leben, rein und ungetrübt von jeglichem Missmut.

Die Deutsche Schule in Sao Paulo kontaktiert mich. Brasilien – wo mein Herz ein Stück weit hängengeblieben ist. Aber Sao Paulo, die Megastadt? Ich weiß nicht, aber warum eigentlich nicht. Aber will ich wieder in die Schule? Wenn ich das eingehe, liegen alle anderen Ideen erstmal auf Eis. Auf der anderen Seite gut, um zu testen, ob die Arbeit in der Schule noch mein Ding ist, wie Mama mir auf meine Unsicherheit antwortet. In einer Woche fliege ich allerdings erst mal zurück zu Robyn nach Halifax. Ich habe keine Ahnung, was passieren wird, aber wir kommunizieren fast jeden Tag und da ist etwas, dem ich auf den Grund gehen muss, vier Tage waren nicht genug. 

Ich bestehe darauf, dass Carola und Tim meine Anwesenheit ausnutzen mit einer Datenight, da sie sich dafür sicher viel zu selten Zeit nehmen. Am Wochenende danach sind wir Mädels dran: Stacy, Carola und ich starten den Abend in einer riesigen Bar mit den ersten zwei Drinks und etwas Pizza, dann gehts in eine kleinere Lokalität mit Livemusik, Durchschnittsalter Ende fünfzig, was laut Stacy ungewöhnlich ist. Wir amüsieren uns über die urigen Gestalten hier und trinken weiter kunterbunt. Carola meint irgendwann: du fährst, Sarah! Alles klar! Dass ich mich dazu vollkommen in der Lage fühle, sollte mich vielleicht mal über meinen Alkoholkonsum nachdenken lassen. 

links Stacy, rechts Carola. zufrieden sind sie mit dem Selfie auch nach drei Versuchen nicht

Tim scherzt schon lange, dass ich seine Frau zur Alkoholikerin mache. Allerdings ist er sich mittlerweile nicht mehr sicher, ob der Einfluss nicht reziprok ist. Wir setzen Stacy ab, kommen heil zuhause an und während Carola mit der Übelkeit kämpft, schiebe ich mir ein kaltes Stück Pizza rein. 

Da Kinder von Hangover ihrer Eltern unbeeindruckt bleiben und auch dann Bedürfnisse haben, bewältigt Carola tapfer den nächsten Tag (meine Symptome sind wesentlich milder) und schwören dem Alkohol erst mal ab. Wie lange das anhält, wissen wir alle.

So gehen drei Wochen mit Carola und ihrer Familie vorüber, die Balsam für die Seele sind, helfen im Moment zu leben und den Blick zu schärfen für die kleinen Wunder der Welt. Am Morgen bringe ich die Kinder ein letztes Mal in die Schule. Auf dem Weg entdeckt Jordi eine Riesenraupe.

Laufen, schwimmen, packen, Lunch mit Carola. Stacy kommt zum Verabschieden vorbei und hat ganz zuverlässig einen Drink für uns in der Handtasche. Meine Abreise ist spät genug, um die Kinder nach der Schule mit an den Flughafen zu nehmen. Eine letzte Umarmung – Jordan, Taylor und Payton bleiben stark, sind Abschiede gewohnt von ihren jährlichen Besuchen in Deutschland. Zudem beruhigt Carola danach mit Besuch in der Eisdiele. Unser ohnehin festes Band ist gestärkt, ich habe jeden Moment hier genossen.

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