02 – 06 Februar 2017
Kurz nach acht abends taucht Félix am verabredeten Treffpunkt auf. Ich bin fast überrascht, dass er so pünktlich ist, denn normal ist das für Südamerikaner ja nicht. Wie immer ist er ganz sportlich und mit kleinem Gepäck unterwegs. Irgendwie verrückt, dass ich ihn hier wiedertreffe. Für die nächsten zwei Nächte hat er ein Zimmer in einem Hotel außerhalb von Santiago in den Bergen reserviert, mit riesigem Swimmingpool, Jacuzzi und Sauna gibts auch. Nach der Anreise heute aus Buenos Aires schlafe ich besonders gut im frisch duftenden Bett.
Am nächsten Morgen bekommen wir Frühstück ans Bett gebracht, Felix fragt mich über meine Arbeit aus und was mir eigentlich wichtig ist – er ist ein verdammt guter Zuhörer.
Wir gehen eine Stunde schwimmen – der Pool ist mit der Grund, warum Félix diesen Ort ausgewählt hat, denn im Wasser fühlt er sich wohl und hat durch seine Arbeit schon unzählige Stunden im Nass verbracht. Eigenes Schwimmtraining, Personaltrainer, Aquabikes und vieles mehr. Er ist begeistert vom Effekt, den das Training im Wasser hat, ganz ohne Belastung der Knochen. Ein paar Tage später komme ich in die Gelegenheit, eine Stunde mit ihm an Aquabikes zu trainieren – seine stählernen Muskeln verwundern mich jetzt kein bisschen mehr.
Am Freitagabend essen wir im Hotel und Félix zeigt ernsthaftes Interesse an meiner Ernährung, fragt mich aus über meine Leistungsfähigkeit, den Effekt, den ich spüre und zieht ab da mit mir mit, da ihm sein Körper wichtig ist und bei meinen Kochkünsten fällts ihm noch leichter – wer hätte gedacht, dass ich einen Brasilianer zum Veganer mache – kommt in meinen Lebenslauf.
Den check-out am Samstag schaffen wir gerade so, da wir nicht aus dem Bett kommen. Dann wieder eine Stunde Schwimmen, Jacuzzi und chillen am Beckenrand.
Gegen abend fahren wir zurück nach Santiago, checken im Hostel ein, finden ein veganes Restaurant, essen Burger und trinken Limo und Bier.
Auf dem Heimweg kommen wir noch an zwei Themenrestaurants vorbei; ich bin erst unsicher, ob wir eintreten sollen, da wir ja nicht essen wollen, aber wir werden sogar fast gebeten, uns doch umzuschauen: so tauchen wir zuerst in eine Unterwasserwelt ein und man fühlt sich wahrhaftig, als wäre man in einem Uboot. Im anderen finden wir Wikingerrequisiten, die wir sogar benutzen dürfen – was ein Spaß!
Wieder fällt mir auf, wie mir die Manieren der Männer hier im Süden gefallen: die Frau geht immer zuerst durch die Tür, uns wird Schweres sofort aus der Hand genommen, die Männer spülen ab, und viele Kleinigkeiten mehr, die der Frau Respekt gegenüber zeigen. Die Männer bei uns habens aber auch nicht leicht mit Frauen, die auf ihre Unabhängigkeit pochen und alles alleine können.
Félix strahlt Ruhe aus, ist immer positiv, hört zu, ist aufmerksam. Er wartet nicht ewig, weiß, was er will, möchte keine Zeit verschwenden, wenn man will, ist alles möglich.
Am Sonntag beginnen wir mit einen fast vierstündigen Spaziergang durch Cerro Cristobal, der Touristenmagnet in Santiago, den wir am Hotel Novotel beenden. Dort hat Félix im Spa-Bereich sechs seiner Aquabikes und ich trainiere eine Stunde mit ihm – ich bin beeindruckt, er hats echt drauf! Danach noch Sauna, wo ich an Marina denken muss und unsere gemeinsamen Saunazeiten im Fitnessstudio – sie fehlt mir und ich vermisse diese Momente mit ihr.
Zurück in der Stadt machen wir uns auf die Suche nach Essen und landen schließlich in einem Restaurant am Plaza Brasil; wir bestellen ‚Completo‘: ein typisches Gericht in Chile, das so mächtig ist, dass es für zwei reicht, bestehend aus einer riesen Portion Pommes, darüber etwas Gemüse, getoppt von viel Fleisch. Wir bitten anstatt dem Fleisch um mehr Gemüse und löschen unseren Durst mit gutem Bier aus Chiles Norden. So geht ein erfüllter Tag zuende und ich fahre erst am nächsten Morgen weiter nach La Serena. Félix muss arbeiten, will aber zu meinem Geburtstag nachkommen.
Er betont immer wieder, wie wichtig ich ihm bin. Die Geschwindigkeit, mit der er vorangeht, ist fremd für mich. Bei uns in Europa läuft das meist anders. Und ich habe schon gescherzt, dass ich den Latinos nicht über den Weg traue, heute hier, morgen dort, kenn ich schon. Aber ich muss zugeben, seit Oktober ist er am Ball geblieben und er hat ja auch recht:
Warum Zeit verschwenden, wenn man jetzt weiß, was man will. Bei mir meldet sich der freiheitsliebende Vogel….