03 -07 März 2017
Nach über zwölf Stunden Busfahrt setzt mich das Taxi am Hostel mit Pool ab. Das tropische Wetter weckt Erinnerungen an Brasilien und meine Sehnsucht, noch einmal zurückzukehren. Auf dem Weg in mein Zimmer läuft mir Martin über den Weg – ein Bekannter von Felix, der damals in Salvador mit uns einen Tag am Strand verbracht hat. Er kann mich erst nicht einordnen und ist dann genauso verblüfft wie ich, dass wir uns hier wiedersehen.

Viel zu sehen gibt es in Santa Cruz eigentlich nicht und ich bin sowieso hauptsächlich wegen des Wetters und der Nähe zu Brasilien hergekommen. Also verbringe ich einen gemütlichen Tag und als ich mittags in der Küche stehe, spricht mich Debora an. Sie sitzt an der Theke und futtert ein Marmeladenbrötchen nach dem anderen. So fangen wir an zu quatschen und verstehen uns auf Anhieb blendend. Der Zucker in der Marmelade soll übrigens gegen ihre Magenprobleme helfen, da die Bakterien sich wohl zuerst auf den Zucker stürzen. Debbie, 29, kommt aus Zürich, hat ihren Job gekündigt, nachdem sie einen Arschloch-Chef hatte und ist wie so viele auf der Suche nach sich selbst, möchte einen Lebenswandel. Sie ist gerade auf dem Weg Richtung Peru, vielleicht komm ich einfach mit ihr mit. Denn wo in Brasilien jetzt hin, weiß ich auch nicht so recht und Flüge von Lima nach Canada sind am günstigsten; einen Monat Zeit hab ich noch.
Am nächsten Morgen beim schlechten Frühstück, nur der Kaffee ist akzeptabel, fällt mir Cyril auf: er hat gestern schon die ganze Zeit an seinem Laptop gearbeitet und frühstückt selbst mitgebrachtes Müsli. Wir kommen ins Gespräch und ich bin ganz Ohr als er von seinem momentanen Projekt ‚twenty questions to the world‘ erzählt: er reist um die Welt mit zwanzig Fragen, die er Menschen aus allen möglichen sozialen Schichten stellt; darunter: Stell dir vor, du bist im Jahr 2100, was siehst du? Was ist deine Angst? Was brauchst du? Was ist das schönste, dass du je gesehen hast?. Gesponsert wird er von einer Kosmetikfirma und Nestlé. Dafür muss er auch vier Fragen über Wasser stellen. Das ganze Jahr ist so finanziell abgedeckt! Cyril ist Franzose, lebt in Paris und hat seinen Job davor gekündigt, da er mit seinen vielen Ideen etwas Eigenes machen wollte. Er bietet mir an, den Nachmittag mit ihm zu verbringen, denn er zieht heute um in ein Hotel, da seine Mutter für drei Wochen kommt um mit ihm zu reisen. Da seine Gesellschaft total angenehm ist und die Israelis hier mit ihrer Musik das ganze Hostel beschallen, nehme ich sein Angebot ohne zu überlegen an. Debbie ist heute im Park mit Zoo und Schmetterlingen und wird am Abend übersät mit Mückenstichen zurückkehren.
Das Niveau von Cyrils Hotel werde ich mir wohl auf meiner ganzen Reise nicht leisten, aber schön sowas mal wieder von innen zu sehen. Nachdem er sein Gepäck abgelegt hat, essen wir gemeinsam zu mittag und schlendern danach durch die Straßen des nobleren Viertels. Unser Interesse weckt eine Pâtisserie, welche so auch mitten in Paris stehen könnte. Da muss ich natürlich rein mit dem Franzosen! Wir gönnen uns Karottenmuffins, Schokokekse und Espresso, bekommen sogar noch was gratis und genießen die europäische Atmosphäre dieses Cafés – was ein Festtag!

Die drei Kilometer Heimweg führen mich durch das Zentrum der Stadt und der Hauptplatz ist wirklich schön, das ist dann aber auch schon alles und so kann ich wenigstens behaupten, Santa Cruz zu kennen.
Morgen will ich abreisen, hier gibt es nichts zu tun und die Zeit läuft. Debbie ist mit im Boot – ab nach Samaipata.
Der Ort liegt drei Stunden außerhalb von Santa Cruz und gefühlt haben wir ein Doppelzimmer im schönsten Hostel des kleinen verschlafenen Ortes mit Blick über das gesamte Tal. Dafür müssen wir allerdings auch einen kleinen Flusslauf überwinden und uns zehn Minuten den Berg hoch quälen, ich erinnere an die Höhenluft, da ist alles doppelt so anstrengend. Außerdem gibts zum Frühstück hausgemachtes Brot und ein Hundewelpe wohnt hier auch.

Wir fühlen uns direkt pudelwohl und genehmigen uns in einer Bar zur happy hour gleich mal einen Mojito.

In der Nähe gibt es Wasserfälle , die sich Debbie gerne anschauen würde, doch das Wetter macht uns einen Strich durch die Rechnung – Regen. Also füllen wir den Tag mit Fitness, Yoga und Beautyprogramm.

Der nächste Morgen ist uns wettertechnisch ebenfalls nicht wohl gesonnen, daher packen wir nach nochmaligem Fitness/ Yogaprogramm unsere Sachen und machen uns auf zu unserer längsten Busfahrt nach La Paz (ich konnte Debbie überzeugen, keinen Zwischenstop einzulegen) – zwanzig Stunden – Kinderspiel!
Mit jedem Tag lerne ich Debbie ein bisschen besser kennen und ich muss sagen: jede ihrer Eigenheiten, die ich entdecke, macht sie für mich noch liebenswerter:
- Ich kenne niemanden, der so viel Schokolade isst wie sie
- Überhaupt ist sie den ganzen Tag immer am essen, wo steckt sie das nur hin? Ingwertee und Nüsse! Nur Banane mag sie nicht
- Sie hat für alles kleine knisternde Tütchen mit Zippverschluss: Tabak, Gutsel, Kaugummis. Große Zippbeutel hat sie auch, die ihre Klamotten trocken und ordentlich halten
- Zigaretten drehen wirkt bei ihr wie ein Hobby. Ich mag das knisternde Geräusch ihres Tabakbeutels
- Ein Kilo Salz schleppt sie mit sich rum, dass ihre argentinische Romanze gekauft hat und von dem sie sich nicht trennen will; es vergeht kein Tag, an dem sie nicht vom Argentinier spricht
- Zu all dem erinnert sie mich noch an meine enge Freundin Vanessa – ähnliches Erscheinungsbild, herrlich unkompliziert und ehrlich
- Aufmerksam, superfreundlich, denkt für mich mit, hält regen Kontakt zu ihren Liebsten zuhause, ich mag ihr Schwiizerdütsch!