Ab nach Florida – eine Woche Sonne tanken!

25 März – 02 April 2019

Sherry’s Vater Fred überwintert seit einigen Jahren immer in Florida, um dem kalten Wetter in Nova Scotia zu entkommen. Sherry und er haben ein gutes Verhältnis und die beiden stehen in regem Kontakt: wenn sie sich nicht gerade bei der Arbeit über den Weg laufen (die Küche befindet sich im selben Gebäude wie seine Büroräume und die ihres Bruders direkt am Binnenkanal), telefonieren sie regelmäßig. Außerdem versorgt sie ihn mit Essen, das er immer mit leuchtenden Augen entgegen nimmt.

Nachdem er von unseren Plänen hört, in die Sonne zu fliegen, schlägt er vor, ihn in Florida zu besuchen. Bei dieser Einladung verwerfen wir ohne überlegen fürs erste unsere vorherigen Ideen, innerhalb einer Woche sind unsere Tickets gebucht und wir verabschieden uns für acht Tage vom Winter.

Orlando ist nicht der näheste Flughafen, doch Fred besteht darauf, dass wir direkt fliegen und holt uns in seinem Bentley vom Flughafen ab. Ca zwei Stunden dauert die Fahrt nach Jupiter. Er wohnt hier in einer sogenannten gated community – eine bewachte Anlage mit mehreren Golfplätzen. Alles sehr nobel, weitläufig, überall schicke Autos, Golfcarts. Sein Haus liegt direkt am Binnenkanal (intercostal).

Mir verschlägt es die Sprache, als er uns im Haus herum führt. Marmorböden, riesiger Wohnbereich, alles verglast, die Fenster sind kugelsicher (das wurde ihm vom Fensterbauer vorgeführt) und halten auch einem Hurricane stand – ein riesiger Pool mit knapp siebzehn Metern, Yamaha Klavier im Wohnbereich (man wollte mal Klavier spielen lernen). Es gibt ein Gästehaus, das wir ganz für uns haben könnten, doch wir wählen das Gästezimmer im Haupthaus, da die Klima hier nicht so kalt wird. Die Dimension des Wohlstands übersteigt meine Vorstellungskraft.

Da Fred meist mit dem Auto anreist, haben wir sein Cabrio aus Halifax für uns während wir hier sind. Ausgestattet mit Empfehlungen für die Gegend von ihm und Sherry’s Schwägerin starten wir in die Woche:

Montag: Fred zeigt uns seinen bevorzugten Gourmet – Supermarkt mit Frischetheke für alles: von Vorspeisen über unzählige Hauptgerichte und Beilagen bis hin zur Kuchentheke werden keine Wünsche offen gelassen – gekocht wird dementsprechend kaum und die noble Küche zuhause wird quasi nie genutzt.

Dienstag: wir suchen einen Strand in der Nähe auf und entdecken auf dem Rückweg eine einladende Beachbar: Guanabanas

Mittwoch: Miami – auf dem Weg dorthin bin ich ziemlich launisch. Einer dieser Tage, in denen ich in dieser Stimmung aufwache (und das trotz Sonne und Strand). Ich bekomme meine Laune allerdings in den Griff, rechtzeitig bevor wir in Miami ankommen. Bei meiner Recherche am Abend vorher habe ich drei interessante Stadtviertel rausgesucht und mit dem Auto sparen wir Zeit, um von A nach B zu gelangen. Wir starten am South Park Beach.

Frühstück an einer Sandwich Bar, die eigentlich nur gut sein kann bei dem Andrang. Unser Sandwich enttäuscht nicht, gestärkt geht’s weiter.

Bayside Spaziergang. Dort stolpern wir über einen Harley Store, und das ausnahmsweise ganz ohne dass Sherry danach gesucht hätte.

Ein ungewöhnliches öffentliches Transportmittel fällt mir hier auf: der Metromover: völlig kostenlos, fast wie eine Art Schwebebahn über den Straßen, alles automatisiert, also kein Fahrer. Gefällt mir.

Wynwood präsentiert sich bunt und supercool mit leuchtenden Graffiti an den Wänden, schicke Bars, stylish, erinnert mich an ein Viertel in New York. Hier legen wir eine Pause für ein Bier ein.

Little Havana: wir finden die Straße mit all den kubanischen Restaurants und Bars, wählen eine Taco Bar und verspeisen mega leckere Tacos und einen Burrito. Der Tag neigt sich dem Ende.

Auf dem Heimweg fährt Sherry über Hollywood. Dort hat sie mit Anfang zwanzig mal mit ihrem ersten Mann gelebt. Muss ein seltsames Gefühl für sie gewesen sein nach all den Jahren wieder hier durch zu fahren.

Donnerstag: Tag am Pool und abends führt uns Fred zum Essen aus im Golfclub. Jeder scheint ihn hier zu kennen. „Good evening, Mister Smithers. How are you, Mr Smithers?“

Freitag: wir checken den Secondhand Store aus, von dem Fred erzählt hat. Hier landen überwiegend Designerstücke – Kleider, die wir uns zum Originalpreis niemals leisten könnten, hier aber zu echten Schnäppchen angeboten werden. Die beiden Damen, die hier arbeiten, erinnern mich an die Verkäuferinnen im Film ‚Pretty Woman‘ – nur mit dem Unterschied, dass sie sehr nett und geschwätzig sind. Sherry’s Vater kennen sie, der kommt hier oft einkaufen. Er scheint sehr angesehen zu sein und ein Headturner (Hingucker) für die Frauen. Shoppen wollte ich ja eigentlich gar nicht, aber das ist doch zu verlockend hier. Danach geht’s zu einem Antikmöbelhaus ‚True Treasures‘ – hier richtet sich also die reiche Welt ein.

Anschließend das Breakers Hotel am Palm Beach. Sowas habe ich noch nicht gesehen – ein Hotel wie ein Schloss. Faszinierend und auf gewisse Art verstörend zugleich – zu viel Geld an einem Ort. Wir laufen durch die Gemächer, die für Besucher begehbar sind und fahren dann entlang am Strand, vorbei an all den Villen. Am Ende der Straße befindet sich Trump’s Anwesen, doch wir biegen vorher rechts ab, durch eine schicki-micki Einkaufsstraße und zurück Richtung Jupiter. Kohle wohin man nur blickt.

Breakers Hotel
Wir halten fürs Foto an diesem kleinen Café

Samstag: eine Runde paddleboarding, nochmal die Bar Guanabanas und zum Abschluss der Restauration Hardware Store – ein riesiges Möbelhaus – bei den Preisen schlackern einem allerdings die Ohren. Im Dachgeschoss befindet sich ein Restaurant, wo wir uns für eine Kleinigkeit (das Günstigste auf der Karte) niederlassen und people watching betreiben.

Sonntag: wir treffen eine Bekannte von Sherry und deren zwei Schwestern an einem Strand weiter nördlich: Jensen Beach auf Hutchington Island. Judy’s Schwester hat eine kleine Wohnung hier für den Winter – es gibt also auch weniger noble Modelle als Fred – und beide Schwestern sind zu Besuch auf Urlaub. Auf der Terrasse eines angesagten Restaurant an einem der vielen Bootshäfen lassen wir den Tag ausklingen.

Am letzten Abend führt uns Fred nochmal aus zu seinem Lieblingsitaliener. Er erzählt viel von früher: wie er als junger Mann für einen Dollar die Stunde arbeitete, die Familie durchbrachte und nach und nach immer erfolgreicher wurde, neue berufliche Herausforderungen annahm. Ich hake nach, wie er eigentlich Sherry’s Mama kennengelernt hat. Dabei kommen für sie bisher unbekannte Details zum Vorschein. Ich freue mich für sie, denn aus eigener Erfahrung weiß ich wie kostbar solche Geschichten sind.

Aufgetankt mit Sommersonne machen wir uns früh am nächsten Morgen auf zum Flughafen.

Anna Maria Island, Florida

04 – 12 Januar 2018

Taxi, Zug, Flieger, Mietwagen – in zweiundzwanzig Stunden von Ludwigshafen nach Anna Maria Island! Mit dem gemieteten Cadillac, der neben Navi mit jeglichem Schnickschnack ausgestattet ist, finde ich vom Flughafen in Orlando ohne Umwege zu Robyn und ihrer Mutter Janet, Ankunft 23Uhr Ortszeit.

Robyn begrüßt mich stürmisch und kann kaum glauben, dass ich da bin; Auch ihre Mutter strahlt, als sie mich sieht. Ich freue mich hier zu sein und es fühlt sich gut an so willkommen zu sein. Ein Glas Wein muss sein, wir erzählen ein wenig, dann lacht mich aber auch schon das Bett an, ich bin ziemlich erledigt.

Die beiden wohnen in einem Trailer, eine Art Mobilheim, welches mit Sommerhausfeeling besticht und mit allem ausgestattet ist, was man braucht. Janet hütet die Bleibe für einen Freund und verbringt somit wie viele andere sogenannte „snow birds“ die Wintermonate in Florida, um dem kalten Wetter in Kanada zu entfliehen; Robyn’s Arbeit lässt es dieses Jahr zu, insgesamt einen Monat hier zu genießen. In die kleine Wohnanlage Sandpiper Beach kann man sich nur mit Mindestalter von 55 Jahren einkaufen. Kein Wunder also, dass die Uhren hier etwas langsamer ticken und alle so tiefenentspannt wirken – Rentnerparadies ist das erste, was mir dazu einfällt. Die Lage direkt an der Küstenwasserstraße ist besonders und wird sicher von vielen Nachbarn beneidet.

Sonnenuntergang direkt vor der Haustür

Bei einem Spaziergang am Strand zeigt Robyn mir die Umgebung – süße kleine Häuschen, eine lange Hauptstraße, die am Meer entlangführt, es ist Nebensaison, daher ziemlich ruhig und kaum was los am Strand; unerwartet kalt ist es! Im Norden Floridas hat es zum ersten Mal seit 29 Jahren geschneit, wir sind zum Glück etwas südlicher. Aber die Temperaturen sind gar nicht so wichtig, denn die Sonne scheint, wir sind am Meer, Sand, Möwen, Urlaubsstimmung – was brauche ich mehr?

Spaziergang am Bradenton Beach

Anna Maria Island ist eine kleine bisher noch relativ unbekannte Insel vor der Westküste Floridas am Golf von Mexiko, ca 90km von Tampa entfernt. Unendlich lange Strände mit viel Platz, klares Wasser, es gibt keine Hochhäuser (Obergrenze von 20,5m ist gesetzlich geregelt), somit keine abturnenden Hotelketten, die jedem Strand ihren Charme nehmen, ebenso findet man kaum Fast-Food-Restaurants. Dafür kleine Hotels, Apartments und Restaurants mit typisch amerikanischem Flair entweder direkt am Strand oder nur wenige Straßen entfernt. Ein kostenloser Bus, hier Trolley genannt, macht ein Auto auf der Insel überflüssig.

Bradenton Beach
Sandpiper Resort – das kleine Rentnerparadies

Da ich am letzten Abend in der Heimat noch mit den Nachwirkungen des Weins zu kämpfen hatte, war der Abschied von Deutschland nicht so tränenreich wie befürchtet und ich ermahne mich regelmäßig im Hier und Jetzt zu bleiben um mich nicht unnötig zu stressen; im Moment ist alles gut wie es ist. Wie es sich gehört für Strandurlaube leben wir einfach in den Tag hinein: gemütliche Vormittage, ich bin fürs Essen zuständig, wir spielen Karten und Robyn bringt mir das Spiel Cribbage bei, Spaziergänge am Strand, auch Sonnenbaden lässt das Wetter drei Tage zu, wir betrachten den Sonnenuntergang, sehen Delfine, spielen Frisbee und testen die Fahrräder hinterm Haus, die sich schnell als zu verrostet herausstellen, kommen aber ein paar Tage später trotzdem in die Gelegenheit einer kleinen Fahrradtour, zu der uns ein Nachbar einlädt.

Abends schaut Janet Jeopardy und Glücksrad – das ist fest in ihren Tagesablauf integriert.

Ich bin zunächst etwas träge, aber Robyn motiviert mich, am Strand joggen zu gehen, was mich so vitalisiert, dass ich die übrigen Tage mit einem Lauf direkt am Meer kurz nach Sonnenaufgang beginne: Frühnebel, Stille des Morgens, den Geruch des Ozeans in der Nase, Meeresrauschen, Vögel folgen den Wasserbewegungen mit trippelnden schnellen Schritten und picken ihr Futter aus dem Sand, das knirschende Geräusch der Schuhe, kleine Muscheln überall. Abgerundet wird die morgendliche Routine mit einem Sprung ins eiskalte Wasser, das einem fast den Atem nimmt, gefolgt von Meditation.

An diesem kleinen Fleck der Erde kommt man zur Ruhe, keinerlei Stress spürbar, dementsprechend entschleunigt scheint alles, genug Zeit zum Nachdenken… Hier und jetzt.

Ich lerne Robyns Cousin Don kennen, der in der Nähe lebt und wir verbringen einen Abend gemeinsam: nach dem ersten Cocktail wechseln wir zu einem Pizzaplace, anschließend will sich Don richtig mit uns besaufen, aber ich lehne ab – auf das Gefühl habe ich mal überhaupt keine Lust. Trotzdem fühle ich mich am nächsten Tag verkatert – zu viel Zucker in den Getränken. Ich beschließe, bis zu meinem Geburtstag im Februar Alkohol und Zucker zu streichen. Mal sehen wie standhaft ich dieses Mal bin.

Flaniermeile am North End
Drinks mit Robyn und Don

Übrigens gehe ich jetzt in die Vollen und habe zwei weitere Jahre Beurlaubung beantragt. Keine Ahnung, wie ich mich finanziere, aber nach wie vor bin ich auf der Suche, will mehr entdecken und bin nicht bereit heimzukehren. Ich vertraue dem Leben, den Gelegenheiten, die mir begegnen werden. Kommt Zeit, kommt Rat.

Eines Morgens wache ich mit einem unzufriedenen Gefühl auf, was sich durch den ganzen Tag zieht und ich kann zunächst nicht genau greifen, woher es kommt. Auch der Lauf am Strand hilft dieses Mal nicht. Mir fehlen meine Menschen von zu Hause, mein sozialer Kreis, Rainer und Vera schreiben mir, dass sie mich vermissen, wie sehr sie die gemeinsame Zeit genossen haben, geht mir genauso. Nicht an dem Leben meiner Freunde und Familie teilhaben zu können, fällg gerade besonders schwer.

Unsere Zeit ist so begrenzt, dass wir sie doch mit Menschen verbringen sollten, die uns ein Lachen ins Gesicht zaubern und uns Liebe entgegen bringen.

Robyn ist wie immer zuckersüß und freut sich über jeden Moment mit mir. Ich dagegen habe eine Art Lagerkoller, brauche Stunden für mich, einen Ort um mich zurückzuziehen. Dieses Gefühl wird sich in den nächsten Tagen noch verstärken, doch letztendlich finde ich mithilfe Robyn’s einfühlsamer Art einen Weg mir Freiraum zu verschaffen.

Nach acht Tagen auf der Insel packe ich ein weiteres Mal meinen Rucksack. Wohin es geht? Ich habe beschlossen, mit Robyn zurück nach Kanada zu fliegen. Sie tut mir gut und in den letzten sechzehn Monaten bin ich zu oft aufgebrochen, obwohl ich mich wohlfühlte. Zudem bietet Kanada die Möglichkeit, mit meinem Visum vielleicht doch noch etwas Geld zu verdienen. Also ab in die Kälte – dass ich mal freiwillig in den Winter reise, wer hätte das gedacht.

Don bringt uns zum Flughafen, wo dieses Bild zustande kommt und mich in typischer Pose in all diesen Monaten zeigt; meinen Rucksack nenne ich auch liebevoll ‚mein Haus‘. Wenn ich sie auch ab und zu schief anblicke, weil sie von allem und jedem Fotos schießt, muss ich Robyn schon rechtgeben, dass ich dankbar für die vielen Bilder bin.

mit Hab und Gut beim Check-in

Ein geplanter Weg ist wie eine Mauer vor perfekten Momenten. – Hans Kruppa

Nova Scotia und Haymarket – Sehnsucht nach Vertrautem

21 November – 05 Dezember 2017

Nach einem weiteren einsamen Tag und schlechtem Hostel habe ich die Schnauze voll und buche spontan einen Flug zurück nach Halifax. Auch wenn die Sonne und das Meer verlockend sind, sehne ich mich nach vertrauten Menschen, bin müde, immer neue Bekanntschaften zu schließen. Also ab in kältere Gefilde zu Menschen, die das Herz erwärmen!

Robyn sammelt mich am Flughafen ein und als wir uns Dartmouth nähern, fühlt es sich ein bisschen an wie nach Hause kommen, alles so vertraut – in meiner Erschöpfung genau das Richtige. Denn neben der Sehnsucht nach Nähe macht mir seit ein paar Tagen der Magen zu schaffen und die Klimaanlage in einem Hostel hat mir einen Schnupfen verpasst. Ziemlich energieleer verbringe ich somit unter liebevoller Fürsorge zwei Tage mit viel Schlaf, Serien schauen und kurzen Spaziergängen mit Robyn bis die Magenkrämpfe und der Kopfschmerz endlich nachlassen.

Robyn ist wie immer bemüht mir eine schöne Zeit zu bescheren und mir neue Orte im wunderschönen Nova Scotia zu zeigen. So haben wir übers Wochenende einen Jeep und sie bringt mich zu einem kleinen beliebten Strand, Queensland Beach, in der Nähe von Chester, wo wir etwas verweilen, die Wellen beobachten und die Sonne den Körper angenehm wärmt. In Chester selbst legen wir einen Stop im Kiwi-Cafe ein.

Queensland Beach

Am darauffolgenden Tag besuchen wir wieder ihre Freundin Olga in Terence Bay. Sie ist eine dieser Personen, bei denen es sich anfühlt, als würde ich sie schon länger kennen. Mir gefällt ihre angenehm ruhige Art, gelassen und warmherzig geht sie durch die Welt. Gemeinsam mit Emily fahren wir los um zu schauen, was Olga’s Freundin Lynette am Nice View Drive Look-off beim Klettern mit Gleichgesinnten treibt. Zumindest ein wenig interessiert geschaut haben wir und spazieren nach kurzem Verweilen wieder Richtung Auto. Klettern ist aber auch so gar nicht mein Ding. Anschließend lädt Emily uns zu sich nach Prospect ein und wir kochen gemeinsam bei interessanten Gesprächen.

Nice View Drive Look-off mit Robyn, Olga und Hund Ella. Emily schießt das Foto 

Sonntag steht Brunch mit Ann und Dianne im veganen Restaurant EnVie auf dem Programm. Diane ist die Dame, die seit über zwei Jahren auf dem Great Trail unterwegs ist. Taffe Frau und wenn auch auf andere Art ist sie genauso abenteuerlustig wie ich.

Brunch im EnVie: Robyn, Dianne, Ann und ich

Die beiden raten uns, am Nachmittag noch zur Bucht Rainbow Haven zu fahren, wo wir zu einem langen Spaziergang zwischen Wasser und goldgelben Gräsern kommen.

Rainbow Haven

Nova Scotia verwöhnt uns in den zehn Tagen, die ich dort verbringe, mit viel Sonnenschein, nur wird es von Tag zu Tag kälter, doch mit dicker Jacke und warmen Socken von Robyn alles halb so wild.

Meine Gefühlswelt: die Vertrautheit mit Robyn tut gut, wir sind liebevoll und aufrichtig miteinander, was zu Tiefenentspannung führt. Ich bin hin und hergerissen und denke mal wieder zu viel nach. Ein paar Monate hier zu verbringen, kann ich mir durchaus vorstellen, so wie ich mich und meine Getriebenheit kenne, will ich jedoch eines Tages wieder los.

Mit Bruder Willi gehen wir ins Kino (Film Ladybird), testen ein neues Restaurant in Dartmouth mit Wein und Snack und an meinem letzten Tag treffen wir Olga und Lynette kurz auf eine Kleinigkeit beim Koreaner, bringen Lynette an den Flughafen, die beruflich nach London fliegt und machen uns anschließend auf zu Dinner und Übernachtung bei Shannon und Denise. Der Spaziergang am Meer nach dem Frühstück am nächsten Morgen macht den Kopf frei und bildet einen schönen Abschluss.

Clam Harbour

Am Abend geht es für mich weiter nach Virginia, von wo ich vier Tage später nach Deutschland fliege. Ja, ich komme heim – zumindest für ein paar Wochen. Angestoßen durch die Hochzeit meiner Freundin Franzi kurz vor Weihnachten habe ich entschieden, mich mal wieder in der Heimat blicken zu lassen.

In den Tagen bei Carola unterstütze ich die Familie wie gewohnt mit Kochen und Backen, bringe die Kinder in die Schule und fühle mich wohl mitten im Familienleben gepaart mit erster echter Weihnachtsstimmung.

Robyn schreibt mir: sie lässt mich „fliegen“, erwartet nicht, dass ich zurückkomme, um sich selbst zu schützen, wünscht mir, dass ich Entscheidungen treffe, die für mich gut sind. Ihre Nachricht überrascht mich nicht. Ich weiß, dass ich manchmal schwer zu lesen bin, was es für mein Gegenüber schwer macht, seinen Platz zu finden oder einzuschätzen, wie ich für sie empfinde. Ich brauche Zeit zum Nachfühlen.

Carola weiht mich in die Geschichte des Weihnachtself ein – was ein Spaß: der Weihnachtself wohnt am Nordpol und kommt nach Thanksgiving bis Weihnachten zu seiner ausgesuchten Familie (es gibt mehrere Elfen, sprich jede Familie kann seinen eigenen Elf haben). Jede Nacht stellt er Unfug an und wird am Tag zur Puppe. Man kann ihm Briefe schreiben, die „er“ natürlich gleich beantwortet und auch Geschenke machen. Payti, Taylor und Jordi stehen vor Aufregung mehrmals in der Nacht am Bett ihrer Eltern und rauben ihnen den Schlaf, wenn sie fragen, ob es schon morgen sei. So… dreimal dürft ihr raten, wer einen heiden Spaß bei der Unfugstifterei hat, so dass Tim irgendwann in seinem sarkastischen Ton meint, nachdem er das Ganze eine Weile mit Sorgenfalten beobachtet hat, der Elf wäre so ganz anders als in den letzten Jahren und etwas extrem. Schade, dass ich nur vier Tage da bin!

Weihnachtself in Aktion

Die Kinder sind so fest von der Echtheit dieses Elfs überzeugt, dass Jordi eine gefälschte Unterschrift zwei Wochen später todernst auf den Elf schiebt. Ich schmeiß mich weg!

Das Wetter ist wie immer überragend hier, ich habe Spaß mit den Kindern, gehe laufen im Waldstück um die Ecke, habe gute Gespräche mit Tim und Carola und Stacy lässt es sich auch nicht nehmen, an einem Abend vorbeizuschauen, von Tim werden wir mit Piña Coladas versorgt.

Joggen in den Sonnenuntergang

Und dann ist es soweit: ich steige in den Flieger nach Frankfurt mit Vorfreude auf meine große bunte Familie und geliebte Freunde, gespannt, ob sich Deutschland so anfühlt wie ich vermute.

Das ist das Angenehme auf Reisen, dass auch das Gewöhnliche durch Neuheit und Überraschung das Ansehen eines Abenteuers gewinnt. – Johann Wolfgang von Goethe

Haymarket, Virginia. Family time

17 August – 07 September 2017

Carola kenne ich von meinem ersten Semester an der Uni in Heidelberg und sie steuerte damals direkt auf mich zu, da ich in meinem sportlichen Outfit mit Basecap für sie so aussah als könnte ich auch einen amerikanischen Freund haben wie sie. Leider zog sie nach einem Jahr mit ihm in die Staaten; für ein paar Jahre kamen sie zurück, er arbeitete für die Army. Inzwischen lebt sie mit jetzt Ehemann Tim, drei Kindern und Hund in Haymarket, Virginia. Über all die Jahre haben wir es geschafft, Kontakt zu halten und durchschnittlich besuche ich sie einmal pro Jahr auf dem Weg in eines meiner Reiseländer.

Als ich am Donnerstag in Washington ankomme, werden die Amis an der Passkontrolle stutzig, da sie nicht damit klarkommen, dass ich weder ein Ausreiseticket noch einen wirklichen Reiseplan habe. Dann noch die Frage „Are you planning on finding work here?“ Genervt antworte ich: „definitely not!“ Fanden die glaube ich nicht so witzig, aber ich konnte einfach nicht an mich halten. Dann muss alles geprüft werden – reine Schikane, wenn ihr mich fragt. Zwei Stunden später fallen Carola und ich uns endlich in die Arme und es fühlt sich an als hätten wir uns gestern erst gesehen. Die große Überraschung zu Hause der neue Pool – wow! Noch am selben Abend springen wir rein.

fancy Pool mit Nachtbeleuchtung

Zwei Tage später feiern ihre Jungs Jordan und Taylor ihren neunten Geburtstag, natürlich gibt das eine Poolparty! Wir bereiten den kompletten Vormittag vor und dementsprechend entspannt läuft der Tag – die Kinder haben Spaß im Wasser, was braucht man auch mehr. 

Happy Birthday!

Ich lerne Stacy, eine Mutter von Kindern aus der Nachbarschaft kennen und mag sie sofort: ein handfestes Mädel wie ich ohne das ganze oberflächliche Getue. Sie will alles über meine Reise hören und ist begeistert, dass ich meinem Herzen folge. Ich kann mir vorstellen, dass sie eine gute Freundin für Carola wird. Bevor ich abreise, wollen wir zusammen ausgehen.

Die nächsten Tage verbringe ich mit den Kindern am Pool, helfe im Haus wo ich kann, sobald Carola von der Arbeit kommt, hängen wir zusammen. Ich genieße die Idylle und den Klatsch und Tratsch im Vorort.

Immer wieder bin ich erstaunt wie Carola das alles meistert: Fulltime-Job in der Schule, Fernstudium, drei Kinder zu Hause, die Aufmerksamkeit brauchen, sobald sie nach Hause kommt, Unterricht vorbereiten, Hausarbeit, Hausaufgaben mit den Kindern, Hund und mehr. Ihre Kochkünste sind ausbaufähig, worüber wir uns beide immer mal wieder amüsieren. Sie ist für mich die absolute Powerfrau!

Der Pool ist lang genug zum Bahnen schwimmen und so bringe ich Carola mithilfe meines Freundes Felix in Brasilien das Kraulen bei. Schwimmtraining kommt also auch noch in ihren vollen Tagesablauf. Neben anschaulichen Videos, die er mir von sich schickt, ist das Highlight eine Liveschaltung an einem Abend – Carola ist deswegen den ganzen Tag aufgeregt. Wir schicken fleißig Videos von ihren Fortschritten und befolgen Anweisungen. Ihre Entwicklung nach drei Wochen kann sich sehen lassen, mein eigener Stil verbessert sich durch die Auseinandersetzung gleich mit.

Demnächst muss ich mich entscheiden, wo die Reise als nächstes hingeht. Ich bin zögerlich und sollte mich endlich mal ernsthaft mit dem Gedanken beschäftigen, welche Alternativen für mich attraktiv sind, da ich mir immer weniger vorstellen kann, in mein vorheriges Leben zurückzukehren. Fühlt sich manchmal fast an, als wäre das eine Erinnerung an einen wunderschönen Abschnitt, der aber nicht mehr zu dem Mensch passt, der ich jetzt bin/ beginne zu werden. Nach vielen Gesprächen meint Carola immer wieder: du gehst nicht mehr ins Klassenzimmer zurück!

Die Zeit fliegt: jeden Tag schwimmen und laufen, das Wetter hier ist traumhaft, ich verbringe viel Zeit mit den Kindern. Die Bindung zwischen mir und Carola wächst, ich habe zum ersten Mal auch längere Gespräche mit ihrem Mann Tim: intelligent, smart, tolerant und er ist nie um einen Scherz verlegen, ich liebe seinen Humor.
Ihre Kinder lassen mich die Welt aus deren Augen sehen, kein Gedanke wird an morgen verschwendet. Payti liebt es zu kuscheln, ich spüre bedingungslose Liebe, dass man alles für sie geben würde. Payti rennt auf mich zu, wenn ich nach der Schule auf die drei warte, sie umarmt mich, schönes Gefühl; auch die Jungs entwickeln tieferes Vertrauen in mich, Kuss auf die Stirn zum Abschied morgens.

way to school/ Nachmittage am Pool
Payti in action/ wir haben Spaß im Supermarkt

Kinder sind kleine junge Menschen, die im hier und jetzt leben, rein und ungetrübt von jeglichem Missmut.

Die Deutsche Schule in Sao Paulo kontaktiert mich. Brasilien – wo mein Herz ein Stück weit hängengeblieben ist. Aber Sao Paulo, die Megastadt? Ich weiß nicht, aber warum eigentlich nicht. Aber will ich wieder in die Schule? Wenn ich das eingehe, liegen alle anderen Ideen erstmal auf Eis. Auf der anderen Seite gut, um zu testen, ob die Arbeit in der Schule noch mein Ding ist, wie Mama mir auf meine Unsicherheit antwortet. In einer Woche fliege ich allerdings erst mal zurück zu Robyn nach Halifax. Ich habe keine Ahnung, was passieren wird, aber wir kommunizieren fast jeden Tag und da ist etwas, dem ich auf den Grund gehen muss, vier Tage waren nicht genug. 

Ich bestehe darauf, dass Carola und Tim meine Anwesenheit ausnutzen mit einer Datenight, da sie sich dafür sicher viel zu selten Zeit nehmen. Am Wochenende danach sind wir Mädels dran: Stacy, Carola und ich starten den Abend in einer riesigen Bar mit den ersten zwei Drinks und etwas Pizza, dann gehts in eine kleinere Lokalität mit Livemusik, Durchschnittsalter Ende fünfzig, was laut Stacy ungewöhnlich ist. Wir amüsieren uns über die urigen Gestalten hier und trinken weiter kunterbunt. Carola meint irgendwann: du fährst, Sarah! Alles klar! Dass ich mich dazu vollkommen in der Lage fühle, sollte mich vielleicht mal über meinen Alkoholkonsum nachdenken lassen. 

links Stacy, rechts Carola. zufrieden sind sie mit dem Selfie auch nach drei Versuchen nicht

Tim scherzt schon lange, dass ich seine Frau zur Alkoholikerin mache. Allerdings ist er sich mittlerweile nicht mehr sicher, ob der Einfluss nicht reziprok ist. Wir setzen Stacy ab, kommen heil zuhause an und während Carola mit der Übelkeit kämpft, schiebe ich mir ein kaltes Stück Pizza rein. 

Da Kinder von Hangover ihrer Eltern unbeeindruckt bleiben und auch dann Bedürfnisse haben, bewältigt Carola tapfer den nächsten Tag (meine Symptome sind wesentlich milder) und schwören dem Alkohol erst mal ab. Wie lange das anhält, wissen wir alle.

So gehen drei Wochen mit Carola und ihrer Familie vorüber, die Balsam für die Seele sind, helfen im Moment zu leben und den Blick zu schärfen für die kleinen Wunder der Welt. Am Morgen bringe ich die Kinder ein letztes Mal in die Schule. Auf dem Weg entdeckt Jordi eine Riesenraupe.

Laufen, schwimmen, packen, Lunch mit Carola. Stacy kommt zum Verabschieden vorbei und hat ganz zuverlässig einen Drink für uns in der Handtasche. Meine Abreise ist spät genug, um die Kinder nach der Schule mit an den Flughafen zu nehmen. Eine letzte Umarmung – Jordan, Taylor und Payton bleiben stark, sind Abschiede gewohnt von ihren jährlichen Besuchen in Deutschland. Zudem beruhigt Carola danach mit Besuch in der Eisdiele. Unser ohnehin festes Band ist gestärkt, ich habe jeden Moment hier genossen.

New York City – weekend trip

19 – 22 Mai 2017

Ohne zu zögern, nehme ich Benjamins Einladung zum Road trip nach New York City an. Mal raus aus Montreal tut gut und road trips sind immer toll! Mit dabei sind neben Benjamin und Brigitte ihre Schwester Valerie plus Freund Mathieu und das französische Paar Clementine und Laure. Freitag früh starten wir und machen auf dem Weg halt in Kingsley zum Essen: charmantes kleines Städtchen, aber sofort zu spüren, dass wir in den USA sind.

Pause machen in Kingsley. von links nach rechts: ich, Laure, Clementine, Benjamin, Mathieu, Valerie und Brigitte

Als sich die Skyline von New York City vor uns auftut, müssen wir alle schmunzeln, wie Clementine und Laure mit kindlicher Begeisterung staunen, in mir leben alte Erinnerungen auf – meine Erlebnisse in dieser Stadt sind so besonders und mit viel Gefühl verbunden. 

Unser über Airbnb gemietetes Haus liegt nicht ideal, etwas weit von allem, reines Wohnviertel, aber günstig und mit Bus und Metro alles machbar. Zwanzig Kilometer pro Tag laufe ich hier dennoch mindestens. Viele Ecken erinnern mich jetzt an Buenos Aires mit ihren mächtigen Gebäuden, riesigen Parks und dem Gewusel.

Unsere Zeit ist ganz entspannt gefüllt mit dem Aufsuchen von interessanten Restaurants, Eisdielen und Coffeeshops. Benjamin ist hier der Leitwolf, er hat eine Liste im Kopf, die es abzuhaken gilt.

Gemischt mit ein wenig Sightseeing: Brooklyn Bridge, Central Park, Highline, interessante Stadtviertel Greenwitch und Williamsburg, Spaziergang entlang des Ufers mit Cider im Kaffeebecher, Prospect Park und Park Slope. Ich habe tolle Gespräche vor allem mit Benjamin: seine Sichtweise wirft für mich auf Bekanntes ein neues Licht.

Spaziergang nahe Manhattan Bridge
Shopsin’s hat eine Speisekarte mit unendlicher Auswahl. Kaffee im Hinterhof 

Je nach Interesse machen wir Dinge zusammen oder trennen uns auch mal einen halben Tag.

Lunch und Coffee
Highline

Ballerina am Rockefeller Center

Kreuzung an Brooklyn Bridge

Magie der Brooklyn Bridge

Manhattan Bridge

Besonders auffallend ist der Kontrast der Stadtviertel in New York: als wir Roberta’s Pizza place in Williamsburg betreten, ist mein erster Gedanke: nur Weiße hier; fällt auch Benjamin sofort auf. Was an der Pizza hier so einzigartig sein soll, bleibt mir ein Rätsel. Je südlicher man sich bewegt, desto schwärzer wird es und auf den letzten Stationen Richtung unserer Unterkunft bin ich im Bus oft die einzige Weiße.

selfie time! dann Bier und Pizza

Während wir an einem Nachmittag durch Prospect Park laufen, spüre ich intensiv das Bedürfnis meine Liebe mit jemandem zu teilen, an jemanden weiter zu geben. Ohne all meine wertvollen Menschen um mich weiß ich nicht, wohin mit all dem Gefühl. Ich sehne mich nach Liebe, Intimität und Glücksgefühlen.

Prospect Park

Letzte Woche hat sich übrigens Fernando wie aus dem Nichts gemeldet – erinnert ihr euch noch? mein Retter in einsamer Stunde in Pipa in Brasilien. Dass er sich genau in dem Moment meldet, als ich nach Wochen mal wieder intensiv an unsere geneinsamen Stunden denke, bestätigt meinen Glauben an eine tiefere Verbundenheit zwischen Menschen.

Dann der letzte Abend – wir lassen es uns nochmal richtig gut gehen im Restaurant mit Hummus, Wein und mehr.

Am Montag morgen begeben wir uns im Dauerregen auf die Heimreise und ich erscheine am Dienstag mit dem Glanz von NYC in den Augen zur Arbeit.