25 März – 02 April 2019
Sherry’s Vater Fred überwintert seit einigen Jahren immer in Florida, um dem kalten Wetter in Nova Scotia zu entkommen. Sherry und er haben ein gutes Verhältnis und die beiden stehen in regem Kontakt: wenn sie sich nicht gerade bei der Arbeit über den Weg laufen (die Küche befindet sich im selben Gebäude wie seine Büroräume und die ihres Bruders direkt am Binnenkanal), telefonieren sie regelmäßig. Außerdem versorgt sie ihn mit Essen, das er immer mit leuchtenden Augen entgegen nimmt.
Nachdem er von unseren Plänen hört, in die Sonne zu fliegen, schlägt er vor, ihn in Florida zu besuchen. Bei dieser Einladung verwerfen wir ohne überlegen fürs erste unsere vorherigen Ideen, innerhalb einer Woche sind unsere Tickets gebucht und wir verabschieden uns für acht Tage vom Winter.
Orlando ist nicht der näheste Flughafen, doch Fred besteht darauf, dass wir direkt fliegen und holt uns in seinem Bentley vom Flughafen ab. Ca zwei Stunden dauert die Fahrt nach Jupiter. Er wohnt hier in einer sogenannten gated community – eine bewachte Anlage mit mehreren Golfplätzen. Alles sehr nobel, weitläufig, überall schicke Autos, Golfcarts. Sein Haus liegt direkt am Binnenkanal (intercostal).
Mir verschlägt es die Sprache, als er uns im Haus herum führt. Marmorböden, riesiger Wohnbereich, alles verglast, die Fenster sind kugelsicher (das wurde ihm vom Fensterbauer vorgeführt) und halten auch einem Hurricane stand – ein riesiger Pool mit knapp siebzehn Metern, Yamaha Klavier im Wohnbereich (man wollte mal Klavier spielen lernen). Es gibt ein Gästehaus, das wir ganz für uns haben könnten, doch wir wählen das Gästezimmer im Haupthaus, da die Klima hier nicht so kalt wird. Die Dimension des Wohlstands übersteigt meine Vorstellungskraft.
Da Fred meist mit dem Auto anreist, haben wir sein Cabrio aus Halifax für uns während wir hier sind. Ausgestattet mit Empfehlungen für die Gegend von ihm und Sherry’s Schwägerin starten wir in die Woche:
Montag: Fred zeigt uns seinen bevorzugten Gourmet – Supermarkt mit Frischetheke für alles: von Vorspeisen über unzählige Hauptgerichte und Beilagen bis hin zur Kuchentheke werden keine Wünsche offen gelassen – gekocht wird dementsprechend kaum und die noble Küche zuhause wird quasi nie genutzt.
Dienstag: wir suchen einen Strand in der Nähe auf und entdecken auf dem Rückweg eine einladende Beachbar: Guanabanas
Mittwoch: Miami – auf dem Weg dorthin bin ich ziemlich launisch. Einer dieser Tage, in denen ich in dieser Stimmung aufwache (und das trotz Sonne und Strand). Ich bekomme meine Laune allerdings in den Griff, rechtzeitig bevor wir in Miami ankommen. Bei meiner Recherche am Abend vorher habe ich drei interessante Stadtviertel rausgesucht und mit dem Auto sparen wir Zeit, um von A nach B zu gelangen. Wir starten am South Park Beach.
Frühstück an einer Sandwich Bar, die eigentlich nur gut sein kann bei dem Andrang. Unser Sandwich enttäuscht nicht, gestärkt geht’s weiter.
Bayside Spaziergang. Dort stolpern wir über einen Harley Store, und das ausnahmsweise ganz ohne dass Sherry danach gesucht hätte.
Ein ungewöhnliches öffentliches Transportmittel fällt mir hier auf: der Metromover: völlig kostenlos, fast wie eine Art Schwebebahn über den Straßen, alles automatisiert, also kein Fahrer. Gefällt mir.
Wynwood präsentiert sich bunt und supercool mit leuchtenden Graffiti an den Wänden, schicke Bars, stylish, erinnert mich an ein Viertel in New York. Hier legen wir eine Pause für ein Bier ein.
Little Havana: wir finden die Straße mit all den kubanischen Restaurants und Bars, wählen eine Taco Bar und verspeisen mega leckere Tacos und einen Burrito. Der Tag neigt sich dem Ende.
Auf dem Heimweg fährt Sherry über Hollywood. Dort hat sie mit Anfang zwanzig mal mit ihrem ersten Mann gelebt. Muss ein seltsames Gefühl für sie gewesen sein nach all den Jahren wieder hier durch zu fahren.
Donnerstag: Tag am Pool und abends führt uns Fred zum Essen aus im Golfclub. Jeder scheint ihn hier zu kennen. „Good evening, Mister Smithers. How are you, Mr Smithers?“
Freitag: wir checken den Secondhand Store aus, von dem Fred erzählt hat. Hier landen überwiegend Designerstücke – Kleider, die wir uns zum Originalpreis niemals leisten könnten, hier aber zu echten Schnäppchen angeboten werden. Die beiden Damen, die hier arbeiten, erinnern mich an die Verkäuferinnen im Film ‚Pretty Woman‘ – nur mit dem Unterschied, dass sie sehr nett und geschwätzig sind. Sherry’s Vater kennen sie, der kommt hier oft einkaufen. Er scheint sehr angesehen zu sein und ein Headturner (Hingucker) für die Frauen. Shoppen wollte ich ja eigentlich gar nicht, aber das ist doch zu verlockend hier. Danach geht’s zu einem Antikmöbelhaus ‚True Treasures‘ – hier richtet sich also die reiche Welt ein.
Anschließend das Breakers Hotel am Palm Beach. Sowas habe ich noch nicht gesehen – ein Hotel wie ein Schloss. Faszinierend und auf gewisse Art verstörend zugleich – zu viel Geld an einem Ort. Wir laufen durch die Gemächer, die für Besucher begehbar sind und fahren dann entlang am Strand, vorbei an all den Villen. Am Ende der Straße befindet sich Trump’s Anwesen, doch wir biegen vorher rechts ab, durch eine schicki-micki Einkaufsstraße und zurück Richtung Jupiter. Kohle wohin man nur blickt.


Samstag: eine Runde paddleboarding, nochmal die Bar Guanabanas und zum Abschluss der Restauration Hardware Store – ein riesiges Möbelhaus – bei den Preisen schlackern einem allerdings die Ohren. Im Dachgeschoss befindet sich ein Restaurant, wo wir uns für eine Kleinigkeit (das Günstigste auf der Karte) niederlassen und people watching betreiben.
Sonntag: wir treffen eine Bekannte von Sherry und deren zwei Schwestern an einem Strand weiter nördlich: Jensen Beach auf Hutchington Island. Judy’s Schwester hat eine kleine Wohnung hier für den Winter – es gibt also auch weniger noble Modelle als Fred – und beide Schwestern sind zu Besuch auf Urlaub. Auf der Terrasse eines angesagten Restaurant an einem der vielen Bootshäfen lassen wir den Tag ausklingen.
Am letzten Abend führt uns Fred nochmal aus zu seinem Lieblingsitaliener. Er erzählt viel von früher: wie er als junger Mann für einen Dollar die Stunde arbeitete, die Familie durchbrachte und nach und nach immer erfolgreicher wurde, neue berufliche Herausforderungen annahm. Ich hake nach, wie er eigentlich Sherry’s Mama kennengelernt hat. Dabei kommen für sie bisher unbekannte Details zum Vorschein. Ich freue mich für sie, denn aus eigener Erfahrung weiß ich wie kostbar solche Geschichten sind.
Aufgetankt mit Sommersonne machen wir uns früh am nächsten Morgen auf zum Flughafen.