08 – 14 November 2017
Seit langem habe ich meine Bleibe mal wieder über Couchsurfing gefunden. Seinem Profil nach zu urteilen scheint mein Gastgeber Pepe sportlich und locker und seine Bewertungen sind alle positiv. Als ich abends bei ihm ankomme, öffnet mir ein Typ, der wohl bei ihm putzt. Zwanzig Minuten später taucht sein Mitbewohner auf, der Smalltalk mit mir macht, bevor er zum Yoga geht. Als Pepe selbst eintrifft, wirkt er total müde und wenn ich es nicht besser wüsste, bekifft. Er fragt, ob ich Lust habe, mich noch mit ein paar Freunden zu treffen – klar, warum nicht, ich bin spontan. Der Freund, zu dem wir fahren, wohnt bei seiner Mutter, das Haus ist riesig, drei weitere Jungs hängen in der Küche rum, alle Anfang zwanzig. Zu sechst zwängen wir uns ins Auto, fahren zum nächsten Supermarkt, um Bier und Whiskey zu besorgen. Ich komme mir vor wie in einer amerikanischen Teenager-Komödie. Zurück zuhause wechseln wir in einen abgetrennten Raum, in dem geraucht werden darf – na toll, ich male mir sofort aus wie alles an mir später stinkt. Die Jungs rauchen, trinken, quatschen und hängen immer wieder am Smartphone. Bei mir klopft der Kopfschmerz an. Der Gastgeber verschwindet kurz im ersten Stock und kommt mit einem Päckchen weißem Pulver zurück – ernsthaft? Jetzt wird also auch noch gekokst. Für ne ordentliche Line wird sich allerdings keine Zeit genommen, sondern reihum mit den Autoschlüssel geschnieft – die Jugend von heute, das kenn ich noch anders. Ich lehne dankend ab und nachdem ich mir das Ganze noch zehn Minuten anschaue, bitte ich Pepe mich heimzufahren, denn das wird hier offensichtlich eine lange Nacht und mein Kopfweh macht sich breit. Mit Bier in der Hand fährt er mich heim. Frustriert über die negative Erfahrung schlafe ich ein mit dem Gedanken: ich bin zu alt für so nen Scheiß!
Am nächsten Morgen steht für mich fest, hier kann ich nicht bleiben, also suche ich mir online ein Hostel, schreibe mit letzter Hoffnung allerdings noch einem anderen Couchsurfer, Carlos, der direkt antwortet und darauf besteht, dass ich zu ihm komme, obwohl er gerade zwei weitere Gäste hat. Ich kann in der Hängematte schlafen, wenn es mir nichts ausmacht. Einmannzelt zu zweit, Parkbank, Hängematte – kein Problem für mich! Hängematten sind zudem wirklich bequem. Ich hinterlasse eine Notiz für Pepe (und höre nie wieder von ihm), nehme ein Taxi in die Stadt und vertreibe mir den Nachmittag im Restaurant Avocado in der Innenstadt. Was ich bisher von Merida gesehen habe, gefällt mir gut, die Stadt hat mediterranes Flair.
Carlos Wohnung liegt nur ein paar Gehminuten entfernt und als ich am Abend vor seiner Tür stehe, empfängt er mich mit freundlichem Lächeln und gibt mir gleich das Gefühl, mich ganz zuhause zu fühlen. Ich treffe außerdem auf Miriam und Thomas aus der Schweiz: seit 21 Monaten sind sie unterwegs im umgebauten Mercedes Bus und stecken gerade hier in Merida fest, da ihr Fahrzeug seit Wochen in Reparatur ist und alles ewig dauert. Carlos ist auch für sie eine Art Retter in der Not, da sie sonst für mehrere Wochen im Hostel Geld bezahlen müssten.
Nachdem ich kurz mein Erlebnis mit Pepe schildere, gehe ich mit Carlos direkt ein Bier trinken, bin aber schon ganz gespannt auf die Erlebnisse von Miriam und Thomas. So ergibt es sich, dass wir die folgenden Tage komplett zusammen verbringen. Ich bin so gar nicht interessiert an den Touristenattraktionen hier sondern genieße einfach nur die angenehme Gesellschaft der beiden. Wir bummelm gemeinsam durch die Stadt, schlendern über den Markt, fahren einen Tag mit Carlos Mitbewohnerin an einen nahegelegenen Strand und suchen an den Nachmittagen interessante Bars auf, die zu jedem Getränk Tapas, hier Botanas genannt, servieren.


Wir quatschen am laufenden Band, tauschen uns über unsere Reiseerlebnisse aus, stellen Unterschiede mit seinen Vor- und Nachteilen in der Art des Reisens heraus, was hat uns zum Reisen bewegt, was inspiriert uns, wo sehen wir uns in ein paar Jahren. Gesprächsstoff geht uns nie aus, ich fühle mich sehr wohl mit den beiden und finde ihre Geschichten überaus spannend, da ich eines Tages auch mit dem Auto unterwegs sein möchte. Thomas Humor ist erfrischend, Miriam ist eine sanfte Seele, beide sind wie ich unkompliziert und ich fühle mich durch die Begegnung mit ihnen bereichert.
Nach einer gemeinsamen Woche ist der Bus endlich repariert und wir verlassen Merida am nächsten Morgen. Miriam und Thomas steuern Oaxaca an, für mich geht es nach Tulum.
Mein Gemütszustand: allerlei Optionen, wo es nach Mexiko hingehen könnte, springen in meinem Kopf umher.
Mit Robyn verabrede ich, ein paar Tage nicht zu sprechen um Raum für Fragen zu öffnen, wie es weitergehen soll. Zur Erklärung: da ich nicht vorhabe, in naher Zukunft mein Leben in Deutschland fortzusetzen und mir in ein paar Monaten das Geld ausgeht, brauche ich langsam aber sicher einen Plan, wie wieder etwas Geld reinkommt. Manchmal warte ich nur darauf, dass sie sagt, sie hat keine Lust mehr auf diese Ungewissheit. Aber Hut ab, sie genießt den Moment, versucht nicht an morgen zu denken.
Ich spüre, dass ich momentan einen stabilen Ort brauche zum Ausruhen, Kräfte sammeln, Erlebnisse verarbeiten, routinierte Abläufe, um wieder Neugier auf unbekannte Welten zu wecken. Dabei mehr Zeit mit Robyn zu haben, ist ein schöner Gedanke. Sollte ich zurückkommen, kann ich ihr nicht versichern, im Sommer zu bleiben und glaube, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis ich weiter will. Ist sie gewillt das einzugehen? Eine Garantie gibt es ja sowieso nie.
Stop being afraid of what could go wrong, and start being excited about what could go right.