24-27 September, 08-11 Oktober 2018
Der Sommer schreitet in großen Schritten dem Ende entgegen. Schon vor einigen Wochen schlug Sherry vor, ein paar Ausflüge zu machen bevor es ganz vorbei ist mit dem warmen Wetter.
Ihre Cousine Brenda und Frau Simone haben auf PEI ein Ferienhaus, hier Cottage genannt, und bieten uns an, die Gelegenheit wahrzunehmen und ein paar Tage auf der Insel zu verbringen. Ich selbst war vor über einem Jahr zum ersten Mal für eine Hochzeit dort, allerdings in einer anderen Ecke und abgesehen von Charlottetown und dem Hochzeitsspott ist mir die Insel noch unbekannt.
Ende September ist es dann soweit: wir schaufeln uns vier Tage frei und Sherry leiht sich das Cabrio ihres Dads, das er momentan nicht braucht. Die Hunde kommen mit, werden auf der Rückbank festgeschnallt und los gehts.

Wie erwartet sind die Straßen frei – bisher habe ich hier auch noch nicht einen einzigen Stau erlebt, der vergleichbar wäre mit dem, was man von deutschen Autobahnen kennt. Um auf die Insel zu gelangen, gibt es nach wie vor eine Fähre oder seit über zwanzig Jahren die Confederation Bridge, welche den Tourismus seitdem angekurbelt hat und auch unsere gewählte Route ist.
Gute vier Stunden sind wir unterwegs und erreichen am frühen Nachmittag Charlottetown. Stanhope by the Sea, wo wir eigentlich hinwollen, liegt ca zwanzig Minuten nördlich der Stadt an der Küste, doch das Wetter ist hervorragend und wir entscheiden, jetzt einen Stopp in der Innenstadt einzulegen, da wir uns sowieso mit ein paar Lebensmitteln eindecken müssen. Sundae und Dude lassen wir im offenen Cabrio zurück, den beiden nähert sich so schnell keiner.
In einem angesagten Café trinken wir Cappuccino und bummeln durch die Straßen. Wir lassen uns treiben von dem, was uns spontan anzieht: eine Bildergalerie, kleine Läden mit Einrichtungsdekoration und Schmuck oder das Ufergelände. Zu lange wollen wir die Hunde dann aber doch nicht sich selbst überlassen, halten an einem Supermarkt und steuern dann Stanhope an. Die einzelnen Grundstücke sind weitläufig und über eine Art Feldweg gelangen wir zu unserem Cottage, welches am Ende dessen liegt. Den Schlüssel finden wir wie vereinbart und betreten eine gemütliche feine kleine Oase, die sich sofort wie ein Zuhause anfühlt.
Unser einziges Vorhaben für die Tage hier ist Entspannung.
Dude macht direkt am ersten Abend Bekanntschaft mit einem Stinktier. Mit blinzelnden Augen kommt er aus dem Dunkeln zurück und Sherry weiß gleich, was los ist. Für mich ist der berühmt berüchtigte Geruch neu und ich lerne: wenns dumm läuft, hängt er ewig in den Räumen. Sherry hat Erfahrung und sagt, wir brauchen Tomatensaft, damit bekommt man den Gestank vom Hund. Außerdem vermutet sie, dass Dude einem Jungtier begegnet sein muss, da der Duft noch sehr milde wäre. Ich will mir intensivere Geruchslevel gar nicht erst ausmalen. Über die nächsten Tage wenden wir über Lüften, Kerzen und Kaffeepulver alle Tricks an, um den Geruch aus dem Haus zu treiben. Dude bekommt eine Ladung Tomatensaft verpasst, was er ganz tapfer wegsteckt. Zur Belohnung lassen wir die beiden am Strand rennen – Hunde sind hier eigentlich nicht erlaubt, aber weit und breit ist keine Menschenseele zu sehen.
Tomatensaftbehandlung nach Stinktierbegegnung!
Wir verwöhnen uns mit gutem Essen (wie eigentlich immer), erkunden die Umgebung mit dem Golfcart, welches in der Gartenhütte parkt, entzünden ein Lagerfeuer und verbringen einen Regentag gemütlich im Haus.
Golfcart und Drinks – läuft!
Bei einem unserer Strandspaziergänge lasse ich Sherry wissen, wie froh ich bin, sie kennengelernt zu haben. Ich versuche offener mit meinen Gefühlen zu sein und diese auszudrücken – glaube ich zumindest.
In den folgenden Wochen spüre ich, wie wir eine neue Ebene erreichen. Ich will es mit ihr versuchen, bin offen für Neues, sehe zum ersten Mal seit langem wieder einen Weg vor mir, zumindest für die nächsten Monate.
Geh dahin wo du dich lebendig fühlst.
Unser zweiter Road Trip steht schon zehn Tage nach der Insel an: Cape Breton! Der Herbst gehört hier definitiv zur beliebtesten Reisezeit, wenn die Blätter der Laubbäume sich täglich wandeln und ein beeindruckendes Farbenmeer bilden.
Vier Tage und drei Nächte haben wir uns vorgenommen – und zum ersten Mal ohne Hunde! Sundae liefern wir am Morgen bei Sherry’s Neffen ab, dessen drei Töchter sich schon seit Tagen auf den Besuch freuen; um Dude kümmert sich eine alte Freundin.
Die Anreise dauert etwas länger als nach PEI und als wir am späten Nachmittag in Sydney ankommen, gehen wir einen Happen essen und anschließend direkt zurück zu unserer Unterkunft: Pool, Sauna, Whirlpool und ab aufs Zimmer – Sydney kann warten bis morgen.
Am nächsten Morgen ist Punkt eins auf unserem Tagesprogramm der Harley Davidson Store, ein Muss für Sherry. Wann immer sie in der Nähe eines Harley Stores ist, kann sie nicht widerstehen. Sie langt gut zu: zwei T-Shirts, ein Gürtel und Stiefel.
Danach begeben wir uns in den Stadtkern, trinken Kaffee in der belebtesten Straße und kommen erst einmal nicht weit, da der urige Secondhandshop nebenan unsere Aufmerksamkeit weckt. Bis zur Decke ist jeder Winkel des kleinen Ladens ausgenutzt: drei Reihen mit Kleiderständern, durch die man sich drängt, von den Wänden hängen Handtaschen, Gürtel und Schals, wir begutachten allerlei Schuhe, Vitrinen mit Schmuck und mehr. Richtig viel los hier – wenn ich mir die Kunden so anschaue, gehe ich schwer davon aus, dass heute ein Kreuzfahrtschiff angelegt hat, was sich später bestätigt, als wir an den Hafen kommen. Die Ladenbesitzerin wittert ihre Chance für guten Umsatz und bietet alles zum halben Preis an. Über eine Stunde verbringen wir mit Stöbern und finden einige Schnäppchen.
Als wir uns endlich losreißen können, spazieren wir Richtung Hafen, machen einen kurzen Stopp in einer Kirche, ein Selfie mit der größten Geige der Welt und schlendern über den Markt, der im Innern eines der Hafengebäude stattfindet: viel Schmuck und Kleider, hausgemachte Seifen und mehr. Ich entdecke einen besonderen Ring und kaufe ihn spontan für uns beide. Noch Monate später neckt sie mich damit, dass ich ihr geschickt einen Verlobungsring angesteckt hätte.
Als der Hunger ruft, entscheiden wir uns für das Restaurant ‚Flavour‘. Dort sitzt man entlang bodentiefen Fenstern mit Blick auf den touristischen Hafen.
In einem Irish Pub planen wir unseren Tag auf dem Cabot Trail. Dort gibt es an die dreißig Wanderwege mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden und Entfernungen.
Als es dämmert, brechen wir auf zu Sherry’s Freundin Pam, die beiden waren zu Schulzeiten beste Freundinnen und haben sich vor fünfzehn Jahren das letzte Mal gesehen. Pam wohnt mit ihrem Mann Mark ungefähr eine halbe Stunde außerhalb Sydney. Als wir in die Hofeinfahrt kommen, parken wir vor einem beeindruckenden Anwesen mit Blick aufs Meer. Pam empfängt uns sehr herzlich, sie hat eine aufgeweckte positive Ausstrahlung. Wir stoßen an mit einem Glas Wein, bekommen eine Hausführung und schreiten dann über den Hof Richtung Gästehaus. Nach dem Rundgang im ersten Stock treffen wir unten auf Mark. Das Erdgeschoss wirkt wie eine Garage oder ein Werkraum. Mark führt uns in den Nebenraum: im ersten Moment denke ich an ein Gewächshaus, sehe einen Traktor, rieche Heu… ich blicke nach links und sehe einen Stall mit Pferd. . . . EIN PFERD IM GÄSTEHAUS! Echt jetzt?! Ich traue meinen Augen nicht, bin ganz aus dem Häuschen und fühle mich wie in Pippi Langstrumpf. Sherry amüsiert sich über meine Begeisterung und schlendert dann mit Pam zurück zum Haus. Ich bleibe mit Mark für ein paar Minuten beim Pferd, er bietet mir an, es zu striegeln. Zuhause sind wir mit Pferden aufgewachsen, der Stallgeruch ist angenehm vertraut und weckt viele Kindheitserinnerungen.
Danach kochen wir gemeinsam, Sherry und Pam plaudern von alten Zeiten, Mark erzählt, wie es ihn nach Kanada verschlagen hat. Ursprünglich kommt er aus Holland und wuchs auf einer Farm auf. Heute arbeitet er in der Politik, tatsächlich ist er der Minister of Agriculture. Pam verbringt viel Zeit mit ihren Enkelkindern, von denen es einige gibt. Mir gefällt das Familienfoto, das sie uns zeigt, während sie von den Kindern erzählt: Schwiegerkinder aus Mexiko und Indien. Dementsprechend bunt ist die Familie – kommt mir sehr bekannt vor.
Pam und Mark sind beide angenehm offen und scheinen trotz ihres Wohlstands sehr am Boden geblieben.
Am Mittwoch morgen fällt das Aufstehen nach der kurzen Nacht nicht ganz leicht. Zudem haben die Matratze und die Kissen Memory-Foam, wofür ich in den letzten zwei Jahren eine Vorliebe entwickelt habe – wenn man auf Dauer in fremden Betten schläft, wird man da wohl Experte. In der Küche finden wir ein Frühstück ganz nach unserem Geschmack vor: Müsli aller Art, Soyayogurt, Früchte, Soyamilch und guter Kaffee. Verantwortlich hierfür ist Mark, der an diesem Morgen schon das Pferd auf die Koppel gebracht hat und sich nun zu uns an den Tisch gesellt. Pam taucht wenig später auf und zu viert quatschen wir über dies und das.
Letztendlich brechen Sherry und ich auf zum Cabot Trail: wir haben Glück und die Sonne lässt sich blicken, was die Farben der Laubbäume umwerfend leuchtend macht.

Drei Wanderwege haben wir uns ausgesucht, manche davon sind nur zwanzig Minuten lang, falls ihr euch fragt, wie das in einem Tag zu bewältigen ist. Witzigerweise stoßen wir auf Nigel’s Schwester (ein Freund vom Markt), die gerade mit Partner und Eltern zu Besuch ist. Wie hoch sind die Chancen bitte dafür??


Teile eines Wanderweges sind gesperrt wegen ralligen Elchen, mit denen in dieser Verfassung nicht zu spaßen ist. Später sehen wir zwei aus der Ferne an einer Flussmündung.
Unsere Unterkunft für die letzte Nacht ist einfach aber okay. Die Küche hier kann uns Veganern allerdings außer Gemüsebrühe und Kartoffeln nicht wirklich etwas anbieten. Zum Ausgehen sind wir zu müde und so entscheiden wir uns für Dusche, mampfen die letzten Cracker und schauen einen Film. Was für eine kalte Nacht! Sherry fängt sich eine Erkältung ein.
Unser letzter Tag bricht an und wir sind hier am Margaree River, wo Sherry’s verstorbener Bruder oft Fischen war. Nach ihren Erzählungen und den Bildern, die ich gesehen habe, kann ich ihn mir hier genau vorstellen. Wir halten an mehreren Stellen entlang des Flusses, waten ans Flussufer und sie streut seine Asche. Ich spüre, wie ein Teil ihrer Wunde des Verlustes ihres nahestehenden Bruders heilt. Wir machen uns auf den Heimweg.
Sherry schlägt vor, zum Lunch in der Glenora Whiskey Distillery zu halten. Das Anwesen weckt Erinnerungen an Weingüter in der Pfalz und gute Momente mit Freunden.
Am Canso Causeway, die Verbindung zwischen Cape Breton und dem Festland, sehe ich Personen, die aufs Wasser blicken und im nächsten Moment weiß ich, warum: Delfine! Wir wenden und parken, um zu schauen, was hier genau los ist: Hunderte Delfine, die komplett aus dem Wasser springen – wow! So stehen wir eine Weile und betrachten das Schauspiel, bevor wir unsere Heimfahrt fortsetzen, die sich bis in den Abend zieht.
Geh auf Reisen. Entdecke unbekannte Orte. Sammle und teile Momente. Umgebe dich mit guter Energie. Verbinde dich mit Menschen. Lerne Neues.